Bild nicht mehr verfügbar.

"Es hat auch nichts mit Biologie zu tun. Es ist Kultur."
Uta Brandes, Professorin für Gender und Design an der Kölner International School of Design
Foto: APA/AP/Calanni
STANDARD: Wie erleben wir Männlichkeit bzw. Weiblichkeit im Design? Uta Brandes : Es geht um kulturelle Geschlechter, also um die Frage, wie sich in einer Kultur Männlichkeit und Weiblichkeit ausprägen. Auch bei den Designern und Designerinnen laufen unbewusst immer Vorstellungen über Männlichkeit und Weiblichkeit mit, das drückt sich dann im Design aus. Elektrische Küchengeräte etwa werden häufig von männlichen Designern gestaltet. Die Maschinen haben dann oft eine Anmutung von ,alles ist so Turbo, alles ist Porsche'. Dabei fährt man gar nicht mit einer Saftpresse.

STANDARD: Und worauf fahren Frauen ab?
Uta Brandes: Frauen orientieren sich am Gebrauchswert. Kann ich das reinigen, finde ich dafür eine Parklücke - das sind relevante Fragen. Frauen neigen meist zu den sanfteren Farben. Aber nicht immer. Mechanische Rasierer für zarte Frauenbeine etwa sind immer organisch geformt, oval, und türkis oder zartrosa. Ein aberwitziges Klischee, so dass jüngere Frauen mit Absicht Rasierer für Männer kaufen. Sie wollen sich nicht mit so einem süßlichen Ding identifizieren.

STANDARD: Ein Beispiel für speziell weibliches Design, das auch funktioniert?
Uta Brandes: Bei YCC ist es bewusst und gut eingesetzt worden. ,Your Concept Car' ist ein Wagen von Volvo extra für Frauen. Frauen war die äußere Form nicht so wichtig, sondern der Innenraum. Die wollten ihre Handtasche ordentlich ablegen können. Und der Wunschtraum aller Frauen war der Lotuseffekt ihres Autos, damit sich das Ding endlich von selbst wäscht. Männer würden aufs Waschen nie verzichten. Das hat wohl auch eine erotische Komponente.

STANDARD: Ist die Unterscheidung in "Männlich" und "Weiblich" überhaupt noch zeitgemäß?
Uta Brandes:Ich glaube nicht, dass sich die Geschlechter zunehmend ähneln, es gibt lediglich mehr Spielarten, Männlichkeit oder Weiblichkeit auszudrücken. Die Zeit der Androgynisierung mit ihren mageren Models ist vorbei. Die Trennung nach Geschlecht wird wieder stärker. Schon bei der simplen Mode. Seit es bauchnabelfreie T-Shirts gibt, ist die weibliche Idealfigur wieder richtig weiblich, mit unten und oben üppig. Guckt man sich hingegen junge Männer an, tragen sie gerade geschnittene Riesen-Shirts und Schlabberhosen. Das sind doch zwei völlig verschiedene Körperformen. Und das geschieht ganz bewusst. Kein Mädchen würde solch ein Schlabberhemd anziehen.

STANDARD: Ist das Geschlechter-Design international?
Uta Brandes: Wir haben uns in China und Japan die Handynutzer angeschaut. Die Chinesen inszenieren Geschlecht expressiv. Da geht es klar nach Farbskalen. Zudem wollen Frauen kleine Geräte, die sie sich auch als Schmuck um den Hals hängen können. Chinesische Männer faseln von I-Mode, Internet, Business - Technik eben, was sich im Design auch niederschlägt. In Japan ist das Design fast geschlechtsneutral. Die jungen Leute verweigern Zeichen explizit männlicher oder weiblicher Erotik, denn sie ist ein Zeichen der Erwachsenenwelt, und die ist in Japan sehr hart. Es geht mehr um Comics, da gibt es keine Geschlechter, stattdessen aber Kindchenschema total. In Japan haben die Handys eher zwei kleine Arme und zwei große Augen. Kindlich, phallisch-männlich, oval-weiblich - sind das nicht lediglich Assoziationen, die man nur schwer als Fakten bezeichnen kann? Ich begründe meine Assoziationen. Ich versuche, Formen und Features zu finden, die von den Menschen mit männlich oder weiblich assoziiert werden, unabhängig davon, ob ich das gut finde oder nicht. Es hat auch nichts mit Biologie zu tun. Es ist Kultur. Vieles ist doch klar: aktiv-passiv, rund-eckig, hart-weich, Innenraum-Außenraum - keiner sagt das offen, aber alle handeln danach. Das ist einfach in uns drin.

STANDARD: Ist ein Apfel männlich oder weiblich? Brandes: Ein Apfel hat eine klar weibliche Form, es heißt ja nicht umsonst Apfelpo. Außerdem gibt's ja noch Adam und Eva. Aber auch wenn man die christliche Geschichte nicht kennt, bleibt der Apfel weiblich. Denn der Apfel ist rund, so wie der weibliche Körper.

STANDARD: Trennen die Designer/innen auch so deutlich in männlich und weiblich?
Uta Brandes: Nein, und das werfe ich ihnen auch vor. Designer, ob Männer oder Frauen, entscheiden leider oft unbewusst. Das kann nicht sein. Designer müssten die Kategorie Geschlecht ganz klar sehen. Das ist wichtig, weil wir einander wie erwachsene Leute als geschlechtsgebundene Menschen begegnen und uns nicht auf den Zufall herausreden sollten, wenn wir bloß wieder etablierte Muster bedienen. Was uns unbewusst prägt, muss bewusst werden, denn erst dann können wir damit umgehen, können es verstärken, verdrängen, ironisieren. Es ist dann eine Erweiterung des Designspektrums.

STANDARD: Wohin erweitert es sich denn?
Uta Brandes: Geschlecht ist eine weitere Kategorie, mit der sich spielen lässt. Und das zieht weitere Innovationen nach sich. Vielleicht stelle ich beim Experimentieren fest, dass ich neue Materialien brauche, die vielleicht leichter sind oder die ich besser entsorgen kann.

STANDARD: Wie reagieren Produkthersteller auf die Kategorie "Geschlecht"?
Uta Brandes: Ich mache viele Projekte für Firmen, die die Zielgruppe Frauen vernachlässigt haben. Kartonagenhersteller etwa wollten von mir wissen, ob es männliche oder weibliche Verpackungen gibt, ob also Details existieren, auf die Männer oder Frauen besonders anspringen. Wir haben dann Menschen im Supermarkt beobachtet. Frauen haben einfach gekauft. Männer haben alles betatscht, beäugt, geknüllt. Wir haben den Kartonherstellern geraten, für ein und dasselbe Produkt ganz verschiedene Verpackungen ins Regal zu stellen, Farben und Haptik zu variieren. Das ist alles noch im Versuchsstadium. Waschmittel in der Frauen- oder Männerverpackung gibt's noch nicht. Das dauert.

STANDARD: Wer sollte dringend über männliches und weibliches Design nachdenken?
Uta Brandes: Banken sollten darüber nachdenken. Die glauben noch an den Mann als Erzeuger und Verdiener. Die Banken sehen so aus, und auch die Bankmanager. Aber es geht auch ums Design. Gestaltung ist auch Atmosphäre, die Art, wie man jemanden empfängt. Wieso hängen in den Fenstern nur die Börsenkurse und nicht auch Symbole für alltägliche Verrichtungen, die auch Geld kosten? Das würde Leute anziehen, vor allem mehr Frauen. Das Design muss weniger einschüchternd sein, offener. Man muss nicht gleich in eine Riesenhalle mit hohen Kassenschaltern kommen. Es könnte doch eher wie in der Lobby eines guten Hotels aussehen. Wieso nicht auch mit einer Café-Bar dabei.

STANDARD: Ist eine Café-Bar ein weiblicher Aspekt? Uta Brandes : Wahrscheinlich kommen Frauen eher darauf als Männer. Bei Banken geht es seit Jahrhunderten ums Zeigen und Protzen, und Banken wurden nun einmal von Männern gegründet. Denen ist das nicht eingefallen. Wenn man Frauen mehr gestalten ließe, täte es allen gut. Auch den Männern. (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 15.10. 2004)