Darabos: "Wir wollen die Leute nicht für dumm verkaufen und trauen ihnen selbstverständlich zu, auch komplizierteren Sachverhalten und Erklärungen folgen zu können."

foto: standard/cremer
In Teil eins der derStandard.at-Serie "Politik und Kommunikation" nimmt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos zum Vorwurf des "Kommunikationsproblems" in seiner Partei Stellung und gesteht dabei ein, dass bei der Präsentation des Wirtschaftsprogrammes Fehler passiert sind. Bei Darabos nachgefragt hat Rainer Schüller.
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derStandard.at: Der SPÖ wird - auch von innerhalb der Partei - vorgeworfen, ein "Kommunikationsproblem" zu haben. Bei der Präsentation des SP-Wirtschaftsprogrammes oder dem EU-Beitritt der Türkei ist das ziemlich deutlich geworden. Wo liegt das das Problem? Wo die Lösung?

Darabos: Wo gehobelt wird, fallen Späne und unverzeihlich wäre nur, Fehler nicht zu korrigieren und nachdrücklich klarzustellen. Im Falle des Wirtschaftsprogramms ist das geschehen und das Konzept der SPÖ ist nun schwarz auf weiß unter www.startklar.at für jedeN einsehbar. Wer da jetzt noch heruminterpretiert, hat eine Leseschwäche.

In der Türkeifrage gab es mit der Linie "EWR +/-" eine von Anfang an klare Position, die zum Teil aber – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – falsch aufgefasst wurde. Andere Parteien haben hingegen in dieser Frage bis heute nicht einmal den Anflug einer einheitlichen Linie.

derStandard.at: Man hat den Eindruck, dass die einzelnen Partei-Vertreter nicht miteinander reden, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. Gibt es keine Absprachen?

Darabos: Diskussionen und Absprachen gibt es selbstverständlich und regelmäßig. Dabei werden Argumente ausgetauscht und diskutiert, um sich schließlich auf eine einheitliche Linie der SPÖ zu einigen, die auch von allen kommuniziert wird. Maulkorberlass gibt es aber natürlich keinen – wer darüber hinaus noch eine persönliche Meinung hat, kann diese äußern.

derStandard.at: SP-Klubchef Cap hat die "Unschärfe in der Wiedergabe" der SP-Linie zum EU-Beitritt der Türkei auf die "journalistische Interpretationsmöglichkeit" zurückgeführt und bei Journalisten eine "anti-demokratische Grundstimmung" geortet. Wie wirken sich die Medien auf die SPÖ-Kommunikation aus?

Darabos: Politik und politische Kommunikation ist selbstverständlich immer auch eine Interpretationsfrage. JournalistInnen werden dabei von persönlichen Einstellungen, Informationsselektion und einem breiten Sortiment von Quellen beeinflusst. Wie die journalistische Berichterstattung letztendlich aussieht, hängt nach dem Vermittlungsvorgang von all diesen Faktoren ab.

Ich befürworte das nachdrücklich, weil es sich dabei um ein Grundrecht handelt, das man gar nicht oft genug betonen kann und das niemals in Frage gestellt werden darf. Dass man als Kommunikator darüber nicht immer glücklich ist, liegt in der Natur der Sache und ist sicherlich als geringeres Übel anzusehen.

derStandard.at: Wie sehen Sie die Kommunikationsleistung der SPÖ im Vergleich mit anderen Parteien?

Darabos: Schauen wir uns das ein wenig genauer an: Die ÖVP ist gleichzeitig für und gegen die Pensionsreform, gleichzeitig für und gegen den EU-Beitritt der Türkei, gleichzeitig für und gegen die Öffnung von Kasernen für AsylwerberInnen.

Die FPÖ ist gleichzeitig für und gegen den Ankauf von Abfangjägern, gleichzeitig für und gegen ein explodierendes Budgetdefizit und gleichzeitig für und gegen einen Heizkostenzuschuss.

Und der Parteichef der Grünen hält sich mit öffentlichen Auftritten derart zurück, dass es fast schon nicht mehr möglich ist, überhaupt eine Position zu erkennen. Ich würde sagen, dagegen ist die Kommunikationsleistung der SPÖ nachgerade zu exzellent. Allerdings: Auch wir werden sicher nicht damit aufhören, täglich besser werden zu wollen.

derStandard.at: Die von Gusenbauer und Cap ausgegebene SP-Parteilinie zum EU-Beitritt der Türkei lautet abgekürzt "EWR +/-" und ausgeschrieben "Europäischer Wirtschaftsraum plus erweitertes Mitspracherecht der Türkei minus Freizügigkeit des Personenverkehrs und Niederlassungsfreiheit". Entspricht das Ihrer Meinung nach der von Spindoctoren immer wieder gepredigten KISS ("Keep it short and simple")-Formel?

Darabos: Zum Ersten: Parteilinien werden zumindest in der SPÖ nicht "ausgegeben", sondern sind das Ergebnis von manchmal durchaus kontroversiellen Diskussionen. In diesem Fall hat sich das Parteipräsidium der SPÖ schließlich auf die angesprochene "EWR +/-"-Linie geeinigt.

Zum Zweiten: Versuchen Sie einmal, die passive Abseitsregel beim Fußball in drei Worten zu erklären. Bei komplizierten Materien reicht ein flapsiger Werbespruch einfach nicht. Außerdem überlassen wir es der Bundesregierung, ausschließlich Marketingblasen von sich zu geben, zu denen es keinerlei Substanz gibt. Wir wollen die Leute nicht für dumm verkaufen und trauen ihnen selbstverständlich zu, auch komplizierteren Sachverhalten und Erklärungen folgen zu können.

derStandard.at: Warum benötigt die "Marke" Gusenbauer eine Image-Tour?

Darabos: Als Marke verstehe ich etwas, was man auf einen Brief klebt. Im Bundespräsidentenwahlkampf gab es dazu die "Marke Ferrero-Waldner". Bei der aktuellen Kampagne der SPÖ, "Team Gusenbauer. Startklar für Österreich" geht es um etwas anderes; es stehen drei Faktoren im Vordergrund:

Erstens: Alfred Gusenbauer ist als SPÖ-Vorsitzender und Spitzenkandidat für die nächsten Nationalratswahlen von einem kompetenten Team umgeben, das auch als solches präsentiert werden soll.

Zweitens: Gusenbauer ist der bessere Kanzler, weil er sich mit den Problemen der Menschen auseinandersetzt und konkrete Lösungsmöglichkeiten sucht. Daher tourt er bis Ende 2005 auch durch alle Bezirke Österreichs, anstatt sich – wie die Mitglieder der Bundesregierung – in ihren Ministerien zu verstecken.

Drittens: Die SPÖ hat die besseren Konzepte in allen Politikbereichen. Wir haben fix und fertige Programme in den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit, Pensionen und Bildung, die auch Grundlage für ein Regierungsprogramm sind.

derStandard.at: Was sagen Sie Parteikollegen, wie Caspar Einem, die die "startklar"-Kampagne öffentlich kritisieren?

Darabos: Dass ich es schätze, wenn er seine persönliche Meinung hat und es am besten gewesen wäre, er hätte sie vor dem Start der Kampagne bei einer der zahlreichen Diskussionen innerhalb der SPÖ geäußert.

derStandard.at: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" - Was halten Sie von diesem Sprichwort?

Darabos: Es kommt immer auf den Inhalt an. Goethe hat gesagt, man muss etwas zu sagen haben, wenn man reden will. Mir stellt sich nur die Frage, was dieses Goethe-Zitat über Bundeskanzler Schüssel aussagt.