STANDARD: Die EU hat im Vorjahr zwei neue Richtlinien für den Umgang mit Elektronikgeräten beschlossen. Welche Konsequenzen haben sie für Österreich? Luckner: Die ROHS-Richtlinie (Restriction of the Use of Certain Hazardous Substances in Electrical and Electronic Equipment, Anm.) beschränkt die Verwendung von Blei, Kadmium, Quecksilber und anderen Giftstoffen in Elektronikgeräten. Die WEEE-Richtlinie (Waste Electrical and Electronic Equipment, Anm.) ist sehr stark außenwirksam für ein Unternehmen. Es muss sich zu einem Beitritt zu einem Entsorgungssystem entschließen oder eine eigene Sammel- und Entsorgungsstruktur aufbauen. Ich denke da an einen großen Elektroniksupermarkt, der in Containern Elektroaltgeräte sammelt. Sobald die voll sind, greift jemand im Lager zu Hörer oder Maus und gibt das in ein Portal ein. Um Abholung und Entsorgung muss man sich danach nicht mehr kümmern.

STANDARD: Gibt es eine solche Entsorgungsplattform bereits?
Luckner: Es kratzen gerade alle in den Startlöchern, um sich aufzustellen. Denn nicht zuletzt: Müll ist ein Geschäft. Eine sehr hemdsärmelige Branche einerseits. Auf der anderen Seite auch eine Branche, die sehr prozessorientiert denkt, weil die Spannen ganz einfach gering sind. Für die paar Bruchteile eines Euros, die man pro Kilogramm Abfall bekommt, muss man ihn schadstoffentfrachten, sortieren und auf die passenden Deponien bringen oder verbrennen. Die Technologie, die für die Entsorgung von Elektrogeräten eingesetzt wird, ist dabei genauso Hightech wie die in den Geräten: Hier ist es eben Schreddertechnologie, Sortiertechnologie, Deponierwesentechnologie und manchmal das komplette Wiedereinschleusen in die Sekundärstoffkreisläufe. Etwa Raffinationsprozesse, wo aus Altkunststoff ein erdölähnliches Derivat gebraut wird.

STANDARD: Hier setzen Sie mit KERP an?
Luckner: Das ist ein Teil der Arbeit. Wir versuchen hier das Optimierungspotenzial aufzuzeigen. Da geht es nicht nur um logistische Optimierung, sondern: Der Entsorgungsanbieter selbst ist auch optimierbar. Er hat es ja mit einem Gemisch aus verschiedenen Geräten im Altelektronikstrom zu tun. Ein wichtiges Thema sind etwa die Elektrokleinhaushaltsgeräte.

STANDARD: Wie sehen Ihre Lösungsansätze aus?
Luckner: Eines der Projekte, an denen wir gerade gemeinsam mit österreichischen Partnern arbeiten, ist der Versuch, Kunststoffe zu einem hohen Prozentsatz und bei guter Qualität im Recycling herauszubringen. Kunststoffsortierung funktioniert im Ansatz schon. In den Analysestraßen läuft der Müllstrom darüber, und die PET-Flaschen werden ausgeblasen, weil anhand einer Spektralanalyse erkannt wird, dass es Polyethylen ist. Es gibt aber auch den Ansatz, Kunststoffe mittels chemischer Verfahren aus dem Elektronikschrott herauszulösen. Wir versuchen das gerade in einem etwas größeren Maßstab umzusetzen.

STANDARD: Ist die WEEE-Richt- linie nicht nur die zweitbeste Variante im Umgang mit Elektrogeräten?
Luckner: Es geht das eine nicht ohne das andere. Hinzu kommt ein dritter Aspekt: Der Energieverbrauch während der Lebensdauer eines Produktes soll ebenfalls miteinbezogen werden. Es gibt immer drei Ecken des "Life-Cycle-Thinking": beginning of life, Lebensdauerphase, end of life. Eine Waschmaschine verbraucht während ihres Lebens etwa 80 bis 90 Prozent ihrer Ressourcen.

STANDARD: Bislang haben sich die Elektrogerätehersteller über Funktion und Preis unterschieden. Welche Rolle wird der Entsorgungspreis hier künftig spielen? Luckner: Eine wesentliche. Wir haben uns an der Weiterentwicklung eines deutschen Software-Tools namens "ProdTect" beteiligt, das es ermöglicht, in einem frühen Stadium der Designphase zu entscheiden, welche Kosten am "end of life" des Gerätes an- fallen werden. Man gibt also Stücklisten und funktionale Zusammenhänge in den "Produkt-Architekten" ein. Etwa: Welches Teil ist oben, welches unten? Was muss ich demontieren, um an ein anderes Teil heranzukommen? Letztlich soll eine Empfehlung an den Produkt-Architekten herauskommen, wie er sein Konzept ohne Beeinträchtigung der Funktion verändern kann, um optimierte End-of-life-Kosten zu erhalten. (Der Standard, Printausgabe, 18.10.2004)