Rainer Nikowitz: "Politiker, die glauben, den Entertainer geben zu müssen, sind in der Regel um ein Vielfaches peinlicher, als Politiker, die schlicht einen Politiker geben."

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Teil zwei der Serie "Politik und Kommunikation": Rainer Nikowitz, "profil"-Kolumnist mit besonderem Gehör für die Rhetorik heimischer Volksvertreter, erklärt Rainer Schüller den Unterschied zwischen Satire und Innenpolitik und bewertet die Kommunikationsarbeit der einzelnen Parteien. Deklarierte Fans unter Politikern hat er keine und was er so raucht, verrät er nicht.

derStandard.at: Sie spicken Ihre fingierten Dialoge oft auch mit Originalzitaten. Wo verläuft Ihrer Meinung nach die Trennlinie zwischen österreichischer Innenpolitik und Satire?

Nikowitz: Ziemlich genau in der Mitte von Karl-Heinz Grasser, würde ich schätzen. Nein, im Ernst: Natürlich ist diese Grenze manchmal fließender, als man sie als Staatsbürger gerne hätte. Aber ich glaube keineswegs, dass die österreichische Innenpolitik mehr Grund zum Spott bietet, als die anderer Länder. Silvio Berlusconi ist sicher eine um nichts weniger groteske Figur als Jörg Haider. Und was der zweifellos talentierte Dadaist Herbert Haupt kann, kann George Bush schon lang.

derStandard.at: Wie würden Sie die Kommunikationsarbeit der einzelnen Parlamentsparteien auf einem Satire-Level von 1-5 bewerten? (Mit kurzer Begründung bitte)

Nikowitz: 1 für die FPÖ. Wo Adenauer noch sagte: "Was schert mich mein Geschwätz von gestern?" dringt die FPÖ mitunter in den Minutenbereich vor.

Ebenfalls 1 für die SPÖ. Aus den von den Regierungsparteien aufgelegten Elfmetern PR-Eigentore wie jenes mit dem neuen Wirtschaftsprogramm zu erzielen, ist schon eine hohe Kunst.

3 für die ÖVP. Dass sich die Kommunikationsarbeit in dem nach jeder Wahlniederlage von jedem VP-Politiker bedeutungsschwer abgesonderten Satz: "Wir müssen die Regierungsarbeit besser kommunizieren" erschöpft, ist zwar nicht unlustig, aber leider schnell erzählt.

4 für die Grünen. Wegen unbotmäßiger Ruhe, vor allem des Parteichefs. Wenn die Schweiger Schüssel und Van der Bellen nach der nächsten Wahl eine Koalition machen sollten, wird es vermutlich nie jemand erfahren.

derStandard.at: Es gibt Politiker, die Satire bewusst für Ihre Arbeit einsetzen (z.B. Peter Pilz). Halten Sie das für ein probates Mittel für die politische Kommunikationspraxis?

Nikowitz: Nein, im allgemeinen nicht. Politiker, die glauben, den Entertainer geben zu müssen, sind in der Regel um ein Vielfaches peinlicher, als Politiker, die schlicht einen Politiker geben. Außerdem müssten sie dabei ja wohl auf größtmögliche Breitenwirkung bedacht sein und würden am Ende alle ständig nur mehr Aschermittwochsreden halten – eine hochgradig grauenvolle Vorstellung. Bei Peter Pilz liegt der Fall ein wenig anders. In dem Wählersegment, das er ansprechen möchte, könnte ihm seine Neigung zur Satire tatsächlich einige Zusatzpunkte bringen – solange man ihm abnimmt, dass er nebenbei auch noch ernsthafte Arbeit leistet.

derStandard.at: Wer sind Ihre Top-5-PolitikerInnen, die Sie am meisten inspirieren?

Nikowitz: Jörg Haider – auch wenn er seiner Hochform schon eine Zeitlang hinterherläuft, immer noch die Nummer eins. Ihn kann man nun wirklich nicht besser erfinden.

Herbert Haupt – hat vor allem sprachliches Neuland erschlossen. Schade, dass er nicht mehr so viel zu reden hat.

Alfred Gusenbauer – weil er stets meine Selbstdisziplin auf die Probe stellt: Schaffe ich es, auch in diesem schweren Fall satirisch zu bleiben oder werde ich doch vom Mitleid übermannt?

Karl-Heinz Grasser – mit welcher Unbeirrbarkeit er seine ölige Eigenvermarktung betreibt, selbst wenn ihm auf völlig rätselhafte Weise eine Bugdetmilliarde flöten geht – schlicht ein Glücksfall

Wolfgang Schüssel – könnte zwar wie erwähnt etwas redseliger sein, aber wenn er einmal was sagt, dann besteht meistens kein Grund zur Klage

derStandard.at: Wie reagieren PolitikerInnen selbst auf den Satire-Spiegel, den Sie ihnen vorhalten? Gab es schon Klagen? Von wem? Gibt es auch Fans unter den VolksvertreterInnen?

Nikowitz: Es gab weder jemals eine Klage noch auch nur die geringste Beschwerde. Deklarierte Fans gibt es aber auch nicht – eine Zeitungskolumne ist schließlich nicht der Villacher Fasching, wo man als Politiker im Publikum beweisen kann, wie total echt selbstironisch man ist.

derStandard.at: Wie schaffen Sie es, sich die Rhetorik der einzelnen PolitikerInnen anzueignen? Steckt in Rainer Nikowitz auch ein kleiner Herbert Haupt?

Nikowitz: Einfach genau hinhören. Und was Herbert Haupt betrifft: Welche Sachen ich so rauche, geht Sie gar nichts an.

derStandard.at: Gibt es Zeiten, in denen Ihnen das Lachen vergeht?

Natürlich, immer wieder. In der Sanktionenzeit nach der Wende zum Beispiel – wie da auch die ÖVP die nationale Karte gespielt und jeden Andersdenkenden zum Staatsfeind gestempelt hat, das war einfach nur ungustiös und beinahe schon angsteinflößend. Ich hab mich natürlich damals auch darüber lustig gemacht – aber aus purer Wut.

derStandard.at: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" – Was halten Sie von diesem Sprichwort?

Dazu schweige ich.