Dass der ORF ein Herz für junge heimische Filmschaffende entdeckt: sehr gut. Dass er ihnen mit "8x45" eine Sendereihe zur Verfügung stellt: super! Aber muss man vorher wirklich ein Abstimmungsspektakel inszenieren?

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Das Ungerechte ist: Manche haben eine Wahl, und andere haben keine. Wenn in den nächsten Wochen besonders fanatisierte ORF-Seher nicht nur "25 das Magazin" schauen, sondern auch film.ORF.at/8x45 besuchen, dann gilt ähnlich wie bei "Taxi Orange" oder "Starmania": "Bei der Endauswahl ist auch die Meinung der Zuseher gefragt."

155 junge Projekte wurden dem Vernehmen nach für die neue Sendereihe "8x45" eingereicht. 12 Finalisten, von denen am Ende acht die Möglichkeit bekommen sollen, endlich einen 45-minütigen TV-Film zu drehen. Die einzige Einschränkung: Es muss ein "Austrian Mystery" - also ein eher gruseliges Werk sein - und: Jetzt wird vorerst einmal bei "25 das Magazin" vorgestellt und abgestimmt und die Spannung ins Unerträgliche gesteigert, bis es laut ORF-Homepage heißen wird: "Hier ist unser Publikum, hier ist ein Thema, hier ist Geld," - 200.000 Euro pro Film - "macht etwas daraus, setzt Euch mit den Anforderungen des Fernsehens auseinander, macht unser Publikum glücklich, zeigt, was Ihr könnt!" Man sieht: Heinrich Mis, ORF-Fernsehfilmchef, spart nicht mit Ermunterungen.

Armer Nachwuchs

Eine gewisse Euphorie sei ihm auch unbenommen: Genauso wie der frühere Filminstituts-Direktor und "8x45"-Initiator Gerhard Schedl weiß Mis nur zu gut, was es in den letzten Jahren bedeutete Nachwuchs- und/oder Low-Budget-Produktionen auf die Schienen heben zu wollen. In der Tat ist es gut möglich, dass man zwischen den neuen Scripts (etwa von Franzobel oder vom Donnerstagnacht-Schöpfer David Schalko) wenn schon nicht Wegweisendes, so doch Impulse finden wird. Und über kleine Genre-Filmchen ein großes Publikum anzupeilen: Das kann auch nicht schlecht sein.

Oder? Auf PR-Fotos der "8x45"-Homepage stehen die Finalisten zu Gruppen versammelt, die an eine Wahl zur "bravsten Maturaklasse des Jahres" oder eben an die berühmt-berüchtigte Euphorie von "Starmania"-Kandidaten erinnern. Man fragt sich automatisch: Wie angepasst oder (in jüngerem Jargon gesprochen) uncool muss man sein, um hier zu reüssieren.

Zweitens: Was soll das schon wieder - dieser Abstimmungswahn? Wird man ORF-Seher in Hinkunft auch darüber voten lassen, mit welchen Nachrichten sie im "Newsflash" (möglichst moderiert von frisch gewählten Mania-Talkmastern) befeuert werden wollen?

Stimmt das Gerücht, dass folgendes Projekt nicht in die Endauswahl von "8x45" aufgenommen wurde? Von einem unheimlichen Besucher wurde dem STANDARD Mittwoch folgendes Treatment überreicht: Ein unbedachter ORF-Seher wählt in einer Tour heimische Filmemacher aus diversen Sendeformaten hinaus. Diese (die Filmemacher natürlich) verschwinden unter mysteriösen Umständen. Und irgend wann einmal, genau zur Geisterstunde, stehen Sie dann halb vermodert vor der Tür unseres eifrigen Wählers. Arbeitstitel: Rückkehr der österreichischen Kinozombies ...

Aus den Kreisen der "8x45"-Finalisten wird indes mittlerweile ein gewisses Unbehagen hörbar. "Das haben wir nicht gewusst." "Auf welcher Basis wollen sich die Leute überhaupt ein Bild machen? Wir haben ja nicht einmal einen Trailer, sondern nur ein kurzes Präsentationsfilmchen anzubieten." Oder: "Das klingt ja gespenstisch."

Den ORF ficht dies eher nicht an: Als "ein Trip ins Unbekannte, eine Reise an die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft" wird "Austria Mystery" derzeit beworben. Gänsehaut now! (Claus Philipp/DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2004)