STANDARD: Was kann man sich unter nanostrukturierten Ober-und Grenzflächen vorstellen?

Schäffler: Nanostrukturierte Ober- und Grenzflächen spielen überall dort eine Rolle, wo man in sehr kleinen Dimensionen denkt - etwa in der Biophysik, wo man an Oberflächen Moleküle, DNA-Stränge usw. positioniert, um Reaktionen etwa auf Antikörper zu untersuchen. Auch in der Halbleitertechnologie, wo man inzwischen eine Milliarde Transistoren auf einem einzigen Computerchip unterbringt. Diese Transistoren werden im Wesentlichen durch Oberflächenstrukturierung und durch Erzeugung von Grenzflächen im Nanometermaßstab hergestellt.

STANDARD: Ein Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeiten sind "biokompatible Nanostrukturen". Worum geht es dabei konkret?

Schäffler: In diesem Bereich arbeiten wir unter anderem an einem neuartigen Verfahren zur schnellen und effizienten DNA-Sequenzierung mittels Nano-Reader. Dabei versucht man, auf einem Chip lokale Reaktionen auszulösen. Wir sind nun dabei, eine schnelle Auslesemethode zu entwickeln, mit der die unterschiedlichen Reaktionen fast gleichzeitig untersucht werden können. Man braucht damit nicht mehr tausende von Einzelversuchen durchzuführen, sondern kann das alles auf einem Chip machen. Das Ausleseverfahren beruht auf der Fluoreszenzmikroskopie. Man hängt an die zu untersuchenden Moleküle fluoreszierende Moleküle an, die man dann mit optischen Methoden effizient detektieren kann.

STANDARD: Wo kommen dabei die nanostrukturierten Oberflächen ins Spiel?

Schäffler: Das neue Verfahren basiert darauf, dass wir eine Oberfläche mit winzigen Gold-Pads (Wissen) nanostrukturieren. Darauf wird dann eine eigene Linker-Chemie entwickelt, die sich nur auf diesen Gold-Pads positioniert. Dazu verwenden wir Thiole - das sind lange Molekülketten, die an einem Ende eine Schwefelverbindung haben, welche mit Gold eine Verbindung eingehen kann. Am freien Ende dieser Moleküle sind Rezeptoren, mit denen man DNA-Stränge anbinden kann. Von der Größe dieser Pads und dieser Linker-Chemie hängt es ab, welche DNA-Bruchstücke daran binden. Und die wiederum kann man mit dem Fluoreszenzverfahren sehr effizient erfassen.

STANDARD: Von der Nano-Initiative werden auch zwei Projekte im Bereich Polymere und Nanokomposite gefördert. Woran wird hier gearbeitet?

Schäffler: Beim einen Projekt geht es darum, organische Halbleiter einzusetzen, um nano-elektromechanische Funktionen zu realisieren. Man kann so auf einem Chip elektromechanische und elektronische Funktionen integrieren. Organische Elektronik ist preiswert, flexibel, und man kann sie sehr großflächig aufbringen. Aus diesem Grund werden organische Halbleiter etwa für Solarzellen eingesetzt. Was die elektro-mechanischen Funktionen betrifft, geht es zurzeit noch um Grundlagenforschung. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung Nano-Elektromechanischer Schaltkreise (NEMS) auf der Basis organischer Halbleiter. Im zweiten Projekt geht es um die Entwicklung von Membranen aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen für eine besonders effiziente Nanofiltration. Diese stark anwendungsorientierten Forschungsarbeiten werden von unseren Industriepartnern koordiniert.

STANDARD: Nanostrukturierte Metallober- bzw. Grenzflächen sind ein genereller Entwicklungstrend in der Oberflächenphysik. Was tut sich diesbezüglich in Ihrem Verbundprojekt?

Schäffler: Wir entwickeln eine optische Messmethode zur hochpräzisen Bestimmung der Eigenschaften - etwa Dicken- und Größenverteilung - von nanometergroßen Metall-Clustern auf Oberflächen.

STANDARD: Wo kann diese Methode in der Praxis eingesetzt werden?

Schäffler: Wir kooperieren in diesem Projekt mit der Firma Hueck Folien in Linz, die metallbeschichtete Polymerfolien herstellt. Für die Qualität der Folien ist es von entscheidender Bedeutung, die Dicke der Metallfilme zu kontrollieren. Das optische Verfahren, das am Institut für Atom- und Oberflächenphysik entwickelt wird, findet dort praktische Anwendung.

STANDARD: Wie sieht es denn eigentlich mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs aus?

Schäffler: Ich glaube, da haben wir in Linz Pionierarbeit geleistet. Hier ist der erste Studienschwerpunkt für Nano-Science and -Technology eingerichtet worden. Seit 2002 schon gibt es an der Linzer Universität ein Angebot mit etwa 20 Vorlesungen, Seminaren und Praktika. Im Rahmen des Verbundprojekts sollen darüber hinaus etwa 20 hochqualifizierte Arbeitsplätze für Doktoranden und Diplomanden geschaffen werden.(Doris Griesser, Der Standard, Printausgabe, 2.11.2004)