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"Warnstreik - Eine legitime Vorgangsweise, um sich aus dem Würgegriff einer unfähigen Politik zu befreien."

AP Photo/Hans Punz
In ganz Österreich traten am Mittwoch hunderte Richter und Staatsanwälte in den Streik - wenigstens für zwei Stunden. Beklagt wird die katastrophale Personalsituation. Die Justizministerin billige "die Demontage einer gerade noch funktionierenden Justiz". Wien - 200 Richter und Staatsanwälte folgten in Wien dem Aufruf zum Warnstreik und protestierten vor dem Straflandesgericht gegen die "katastrophale" Personalsituation. "Die Justiz ist durch undifferenzierte Sparmaßnahmen in Bedrängnis geraten", sagte Peter Liehl, Obmann der Sektion Wien der Richtervereinigung, bei der Kundgebung. Justizministerin Karin Miklautsch warf er vor, die "Demontage einer gerade noch funktionierenden Justiz" zu billigen. Liehl reagierte auch auf die Aussage der Ministerin, die den Streik als "aggressive Vorgangsweise" bezeichnet hatte. Liehl: "Das ist kein aggressives Vorgehen. Sondern eine legitime Vorgangsweise, um sich aus dem Würgegriff einer unfähigen Politik zu befreien."

"Theaterdonner"

Die Richter und Staatsanwälte fühlen sich von der Politik, insbesondere von Kanzler Wolfgang Schüssel und Finanzminister Karl-Heinz Grasser, aber auch von der Gewerkschaft im Stich gelassen. Gerade die Gewerkschaft böte angesichts von "Pensionskürzungen, die ihresgleichen suchen, unnötiger Justizneubauten und der herrschenden Personalknappheit nur Theaterdonner", beklagte Liehl.

Die von Justizministerin Karin Miklautsch ausverhandelten zusätzlichen 80 Richteramtsanwärter und 20 Richterposten seien zu wenig. Die Richterschaft fordert 150 bis 200 neue Planstellen.

Neben der Personalsituation schmerzen die Richter die Pensionskürzungen, die bis zu 22,27 Prozent ausmachen könnten - eine "verfassungswidrige Enteignung".

Mit Transparenten wie "Österreich braucht 200 Richter mehr!" oder "Spart die Justiz nicht kaputt!" untermalten die Richter und Staatsanwälte ihre Forderungen. Zumindest im Wiener Straflandesgericht wurde übrigens der zweistündige Verhandlungsboykott nicht zur Gänze eingehalten. "Man kann bei Haftsachen den Verhandlungstermin ja nicht einfach abblasen. Da geht's um Fristen, die einzuhalten sind", erklärte ein Richter.

"Warnpflicht"

Am Landesgericht St. Pölten fand der Streik der Richter und Staatsanwälte im Rahmen einer "Gesprächsrunde" in einem Verhandlungssaal statt. Man habe eine "Warnpflicht", sagte Präsident Kurt Leitzenberger. Die gute Gerichtsbarkeit in Österreich werde mit weiteren Einsparungen nicht mehr so wie bisher funktionieren. Etwa 120 Richter und Staatsanwälte aus der gesamten Steiermark fanden sich im Schwurgerichtssaal des Grazer Straflandesgerichts ein. Richter Werner Zinkl erklärte, mit dem derzeitigen Personalstand sei die "Sicherheit nicht mehr gewährleistet".

Vor "italienischen Verhältnissen" warnte der Vorsitzende der Kärntner Richtervereinigung, Manfred Herrnhofer. In Oberösterreich gab es in allen Landesgerichten Protestversammlungen. Die ursprünglich für diese Zeit angesetzten Verhandlungen fielen weit gehend aus.

Rund 90 Richter und mehr als zehn Staatsanwälte traten in Salzburg in den Streik. "Wir brauchen noch fünf zusätzliche Richter am Landesgericht Salzburg", erklärte der Obmann der Salzburger Richtervereinigung, Anton Meinhart. Rund 160 Richter und Staatsanwälte haben in Tirol ihre Arbeit niedergelegt. (DER STANDARD, Printausgabe, 04. 11. 2004)