Wien – Die Reaktionen auf den Wahlsieg von George W. Bush an den Aktienbörsen sind wie erwartet ausgefallen: am Mittwoch Erleichterung mit moderatem Kursplus, am Donnerstag insgesamt wieder die Tendenz ins Minus. Der Dollar befand sich am Donnerstag mit 1,2889 zum Euro in steilem Abwärtstrend, was dem Gold half, das auf 432 Dollar je Unze kletterte. Die Anleihenmärkte gaben leicht nach.

Hinter den Kulissen von einem bescheidenen Plus von einem Prozent im US-Gesamtmarkt hatten am Mittwoch jene Industrien, deren Gewinne von einem demokratischen Präsidenten bedroht waren, die Handbremse gelöst. Pharmafirmen (Pfizer, Merck, Bristol-Myers Squibb), große Biotechunternehmen (Amgen, Genentech) und Energietitel legten zwei bis drei Prozent zu. Der Ölfeldausrüster Halliburton und Amerikas größter Rüstungskonzern Lockheed profitierten am stärksten. Möglich, räumen Analysten und Fondsmanager ein, dass noch eine kleine Jahresendrallye kommt – "rechnen würde ich nicht unbedingt damit", wie etwa Helmut Haidinger, US-Portfoliomanager der Erste Sparinvest, sagt: "Es war vorher nicht toll und wird auch nachher nicht toll werden", resümiert er ein mattes Aktienjahr mit flacher Entwicklung der Indizes.

Dolalr unter Abwertungsdruck

Die Liste der Gründe dafür ist lang – und aktuell: Der Dollar befindet sich unter Abwertungsdruck, weil sich unter Präsident Bush das US-Haushaltsdefizit von einem Plus auf ein Rekordminus von etwa 3,7 Prozent am US-BIP (422 Mrd. Dollar) entwickelt hat. Gleichzeitig treibt ein hohes Leistungsbilanzdefizit den Dollar nach unten und die Zinsen vermutlich weiter nach oben. Bis jetzt sind die asiatischen Notenbanken als Gläubiger eingesprungen und haben Dollars und US-Staatspapiere gekauft. Investitionen von Privaten reichen schon lang nicht mehr: 1,8 Mrd. Dollar brauchen die USA täglich für ihre Leistungsbilanz. Allgemein wird ein Anheben des US-Leitzins aus all diesen Gründen und auch wegen der bei rund zwei Prozent liegenden Kerninflation – am 10. November von 1,75 auf zwei Prozent erwartet.

Das wiederum macht den hoch verschuldeten US-Verbrauchern, die mit ihrem Konsum mehr als zwei Drittel zum US-BIP beitragen, das Zurückzahlen ihrer Schulden schwerer. Zu einem schwachen Arbeitsmarkt werden die US- Konsumenten sehr hohe Energierechnungen unter dem Christbaum finden, was die Erwartungen für ein gutes Weihnachtsgeschäft stark dämpft. Denn: Viel Ersparnisse sind nicht da – in den USA ist auch die Sparquote mit 0,2 Prozent der verfügbaren Einkommen auf ein Rekordtief gefallen.

Keine starken Impulse für Aktien

Dieses sich zuspitzende Deficit-Spending führen Analysten von Citigroup bis Threadneedle als Motiv für ihre Revision des US-Wirtschaftswachstums von ursprünglich vier auf nur mehr rund drei Prozent für heuer an.

Dieser "Cocktail" liefert insgesamt keine starken Impulse für Aktien. Auf den Anleihenmärkten ist zwar kaum etwas zu verdienen, allerdings verliert das Gewinnwachstum der Börsenunternehmen deutlich an Schwung: Hohe Energie- und Rohstoffkosten und müde Verbraucher haben das Gewinnwachstum der im S&P-500-Index notierenden Unternehmen von zuvor 24 auf rund 17 Prozent geschmälert. Für 2005 wird nur mehr einstelliges Gewinnplus erwartet. Auch die Produktivitätszuwächse konnten nicht gehalten werden. (Karin Bauer, Der Standard, Printausgabe, 05.11.2004)