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Frattini wird statt Buttiglione neuer Justizkommissar in Brüssel

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Barrosa bei der Verkündigung seiner Frohen Botschaft: Der zweite Vorschlag für die Kommission ist fixiert.

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Alles wartete auf Silvio Berlusconi. Doch Italiens Regierungschef ließ sich viel Zeit – und den künftigen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso zittern. Denn an sich wollte Barroso nach der Niederlage im Europaparlament bereits zum Auftakt des EU- Gipfels die Blockade der Kommission beenden und im zweiten Anlauf seine neue Kommission präsentieren.

Ressortrochaden

Das scheiterte lange an einem Mann: Berlusconi. Erst am Donnerstagabend beendete er das Zittern. Und nominierte den bisherigen Außenminister Franco Frattini als italienmischen Kommissar. Er ersetzt den nach heftiger Kritik ausgetauschten Rocco Buttiglione. Das Ressort bleibt gleich: Frattini übernimmt Buttigliones Ressort – Justiz und Inneres.

Die anderen Veränderungen standen schon vorher fest: Mit Rocco Buttiglione und der Lettin Ingrida Udre sind zwei der umstrittensten Kommissare ausgetauscht. Den Rest der Kritik des EU-Parlaments will Barroso durch Ressortwechsel befrieden: Der neue lettische Kommissar, der parteilose Andris Piebalgs, tauscht mit Ungarn das Ressort und wird Energiekommissar. Der ungarische Sozialist Laszlo Kovacs wiederum, der in seinem Hearing wenig über Energie wusste, bekommt das Lettland zugedachte Steuerressort. Und die umstrittene Niederländerin Neelie Kroes, der wegen Firmenjobs Befangenheit vorgeworfen wird, bleibt aufgrund des hartnäckigen Drucks der Niederlande bei ihrem Porfolio Wettbewerb. Barroso verteidigte die Entscheidung, Kroes in ihrem Ressort zu belassen.

Mit diesen Rochaden können die Sozialdemokraten leben. Schon kommende Woche starten die Hearings für die neuen Kommissare und auch die, die ein neues Ressort bekamen. Am 17. November wird im Europaparlament über die neue Kommission abgestimmt. Die Europäische Volkspartei hätte zwar gerne den Tausch des Sozialisten Kovacs gesehen – will aber der Kommission ihres Parteifreundes Barroso bald den Start ermöglichen. Othmar Karas sagte dennoch, er hätte sich "eine umfassendere Umbildung gewünscht".

Ratlos zu Lissabon

Die neue Kommission drängte andere Themen des EU-Gipfels in den Hintergrund. Das war allerdings den 25 Staats- und Regierungschefs gar nicht so unrecht: Denn ein Hauptthema hätte der Lissabon-Prozess sein sollen – und der ist vor allem ein Prozess des Scheiterns. In den Lissabon-Zielen ist seit 2000 festgeschrieben, dass die EU bis 2010 die USA als Wirtschaftsmacht überholen soll. Davon ist die EU zur Halbzeit weit entfernt: Sie verfehlt ihre Ziele, der Abstand zu den USA hat sich vergrößert statt verringert.

Wie der Lissabon-Prozess auf die Erfolgsspur gebracht werden soll, darüber berieten die Staatschefs am Gipfel. Der designierte Industriekommissar Günter Verheugen forderte einen "Richtungswechsel" – ohne die geänderte Richtung zu präzisieren. Auch die anderen Vorschläge waren eher ein Ausdruck der Ratlosigkeit: Jedes Mitgliedsland soll nationale Aktionspläne vorlegen. Die EU-Kommission soll bis Frühjahr eigene Vorschläge präsentieren. Und nicht zuletzt sollen erfolgreiche EU- Staaten öffentlich gelobt – und andere getadelt werden.

Die Frage der Beitrittsverhandlungen steht erst im Dezember am Programm. Einen kleinen Schritt in die EU hat die Türkei aber Donnerstag geschafft: Die AKP, Partei des türkischen Premiers Recep Erdogan, wurde indes in die Europäische Volkspartei aufgenommen – als Beobachter. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2004)