Wien - Primäres Ziel für Pränatal- und Postnataldiagnostik - also Untersuchungen vor bzw. kurz nach der Geburt - sollte stets die Therapie sein. Das erklärte Andreas Lischka, Vorstand der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Kinderklinik Glanzing im Wilhelminenspital in Wien anlässlich der an der Klinik im Schloss Wilhelminenberg organisierten Herbsttagung mit dem Titel "Präpartales und postnatales Screening - Segen, Sinnlos oder Selektion?".

Im Gegensatz zur Präimplantationsdiagnostik - die Untersuchung von Embryonen nach einer Befruchtung außerhalb des Mutterleibes - ist Pränatal- und Postnataldiagnostik in Österreich erlaubt und hat auch eine relativ lange Tradition. "Reihenuntersuchungen an Neugeborenen bieten die Chance, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu therapieren und somit schwere gesundheitliche Folgen abzuwenden", so Lischka.

Beispiel

Als Beispiel nannte der Experte das Ende der sechziger Jahre in Österreich eingeführte Neugeborenen-Screening, ein bundesweites Programm zur Früherkennung von behandelbaren Stoffwechsel- und hormonellen Erkrankungen. Von 1966 bis zum Jahr 2000 wurden Blutproben von 2,9 Millionen Neugeborenen im Screening-Labor an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Wien auf sechs Erkrankungen untersucht, bei mehr als 1.000 Kindern wurden behandelbare Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion oder Cystische Fibrose festgestellt.

Ab 2002 konnte durch ein neues Verfahren das Untersuchungsprogramm auf insgesamt 23 Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen erweitert werden. Von April 2002 bis Februar 2004 wurden knapp 160.000 Neugeborene mit dem erweiterten Screeningprogramm untersucht, so die bei der Herbsttagung präsentierte Bilanz des Programms. Bei 866 Kindern fand sich ein auffälliger Befund in der ersten Screeningkarte, bei 42 Kindern wurde bei der Kontrolle dann tatsächlich eine Erkrankung diagnostiziert.

Gesetzgebung

Mit der Einführung gentechnischer Methoden sowohl in der Diagnose wie auch in der Therapie sind Prä- und Postnataldiagnostik ins Gerede gekommen. So könnten durch Gen-Screenings bereits im Mutterleib Wunschbabys ausgewählt werden. Die Erfassung von möglichen Defekten öffne aber auch missbräuchlichen Verwendungen der Daten Tür und Tor. Wenngleich Missbrauch nicht völlig auszuschließen sei, warnt Lischka davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Er plädierte für eine entsprechende Gesetzgebung, bei der etwa nur Krankheiten aufgespürt werden dürfen, für die es auch eine Therapie gibt.

Aber auch abseits von Gentechnik-Diskussionen ist bei Prä- und Postnataldiagnostik derzeit nicht alles so, wie es sein sollte. So bemängeln die ForscherInnen, dass Hör-, das Nieren- oder Hüftscreening bei Neugeborenen in vielen Spitälern zwar als Vorsorgeuntersuchungen angeboten, von der öffentlichen Hand aber nicht honoriert würden. Für Lischka ist dies der falsche Ansatz für eine moderne Gesundheitspolitik: "Wenn ich Kosten sparen will, muss ich in Richtung Prävention gehen." Das Screening auf mögliche Erkrankungen des Fötus und von Neugeborenen, die auch therapierbar sind, stelle eine klassische Vorsorgeuntersuchung dar, auf die auch Kinder ebenso wie Erwachsene ein Anrecht haben sollten. (APA)