Die Ratschläge sind direkt und glasklar. „Arbeiten Sie so wenig wie möglich“, heißt einer. Daraus ergibt sich folgerichtig der nächste: „Akzeptieren Sie nie und unter keinen Umständen einen Posten mit Verantwortung. Sie wären nur gezwungen, mehr zu arbeiten.“ Solche politisch nicht ganz korrekten Sätze stammen aus dem Essay Guten Tag, Faulheit von Corinne Maier, einer Halbtagsangestellten des Energiekonzerns Electricité de France (EDF), die in der übrigen Zeit als selbstständige Psychologin wirkt – und in der Freizeit ein Buch geschrieben hat. Letzteres erschien vor den Sommerferien bei der kleinen Pariser Edition Michalon, nachdem das Manuskript zuvor von mehreren Dutzend Verlagen abgelehnt worden war. An sich wollte Michalon höchstens ein paar Tausend Exemplare drucken. Aber dann kam alles anders. Zuerst aber noch ein paar weitere Empfehlungen aus dem 114-seitigen Brevier. „In den Großunternehmen wählen Sie vorzugsweise die unnützlichsten Jobs: Beratung, Expertise, Forschung, Studien. Meiden Sie die operativen Posten im Feld wie die Pest. Ideal ist es, auf ein Abstellgleis zu kommen.“

Wenn man es wirklich nicht lassen könne und sich für etwas einsetzen wolle, dann solle man sich ein Beziehungsnetz aufzubauen, um im Fall einer Restrukturierung nicht entlassen zu werden. Mehr nicht. Noch ein Beispiel? Pierre de Coubertin (der Begründer der modernen Olympischen Spiele, Red.) sagte, Mitmachen sei alles. Aber heute ist das Wichtige im Job, so wenig wie möglich mitzumachen.

Nebenbei rät Corinne Maier, „das System von innen auszuhöhlen“. Die hoch gebildete Dame entspricht indes nicht ganz dem Klischee der aufmüpfigen Französin, die dem nationalen Schlendrian frönt und auf die Barrikaden ruft. Gewiss schreibt sie: „Verkörpern Sie das Sandkorn in der Maschine, die Anomalie, welche die Einheit herausfordert!“

Zudem formuliert sie ein berühmtes Chanson aus dem Mai ’68 neu um in: „Wir knöpfen uns den PDG vor.“ (PDG heißt so viel wie Président Directeur Général oder kurz Konzernboss.) Aber eine Revoluzzerin ist Frau Maier mitnichten. Die 40-jährige Mutter von zwei Kindern ist erstens Schweizer Abstammung und hält zweitens nichts von der Revolte: "Die macht zwar immer Spaß, aber sie war höchstens gut für die Systemgegner der Siebzigerjahre; und es ist ja bekannt, was aus ihnen geworden ist (nämlich Patrons)."

Das mag nun leicht zynisch klingen, wie die Autorin selbst einräumt. "Doch Unternehmen sind ja auch keine Ausgeburten des Humanismus." Die Betriebe seien heute "langweilig und potenziell brutal", schreibt die Halbtagsmitarbeiterin; die Hierarchien und Chefs seien strenger denn je, obwohl sie sich cool und casual gäben. Mit anderen Worten: Wenn die Firma schlecht ist, müssen sich Mitarbeiter auch nicht besser verhalten. Man solle kein schlechtes Gewissen haben, den "Büro-Kaktus" zu spielen; schließlich sei niemand gezwungen, sich zu duzen, heuchlerische Küsschen zu erwidern oder zum Neujahrsumtrunk zu gehen. Solche Alltagsfeststellungen garniert Maier mit Weisheiten philosophischer Gattung, von Hanna Arendt - wonach der Kapitalismus vor allem Überflüssiges schafft und zuerst die Angestellten überflüssig macht - bis zu Guy Debord und dessen radikaler Devise: "Arbeiten Sie niemals!"

Nun stelle man sich einen EDF-Direktor vor, wie er im Pariser Quartier Latin in einer philosophischen Buchhandlung schmökert und an einem violetten Bändchen mit dem Titel Bonjour paresse hängen bleibt. Vielleicht schmunzelt er noch über den programmatischen Untertitel "Von der Kunst und der Notwendigkeit, im Betrieb so wenig wie möglich zu tun". Bis er mit Schrecken feststellt, dass die Autorin seine eigene Untergebene ist. Der Flaneur von Electricité de France stellt sich vor, wie Corinne Maier mit den Füßen auf dem Bürotisch Zeitung liest und in Gedanken bei ihrem Buchprojekt weilt, statt für seine Abteilung zu arbeiten. Denn nicht zu vergessen: Die Dame wirkt bei EDF in dem Forschungsbereich, den sie für besonders nutzlos hält.

Da kann es nicht verwundern, dass der Manager das Corpus Delicti an die Konzerndirektion schickte. Diese beschloss im August, ihre Angestellte Maier wegen Pflichtverletzung und Loyalitätsbruch zu klagen. Das Resultat war allerdings nicht wie gewünscht. Die Autorin tat, was französische Angestellte in solchen Fällen tun: Sie leitete den Fall an die Gewerkschaft weiter, und die machte die Klage publik. Im Sommerloch stürzten sich die Medien dankbar auf das Thema, und Frau Maier geriet über Nacht in die Schlagzeilen. Um für das Buch nicht zusätzlich Propaganda zu machen, musste die EDF ihre Klage wohl oder übel zurückziehen.

Das förderte den Siegeszug des Faulheit-Ratgebers nur noch. Im Oktober kletterte er in Paris auf den ersten Platz der Sachbuch-Verkaufslisten. 195.000 Exemplare sind mittlerweile auf Französisch gedruckt, Übersetzungen - auf Deutsch im Frühjahr bei Goldmann - in zwanzig Sprachen vorgesehen.

Das ist nun nicht nur das Verdienst der EDF. Maiers Werk trifft einen Nerv der Zeit - vorab in Frankreich, aber auch in der ganzen industrialisierten Welt. Das Buch wäre undenkbar ohne die Debatte über die 35-Stunden-Woche, die in Frankreich von der Linken 1999 eingeführt worden war. Die aktuelle Rechtsregierung in Paris bemüht sich derzeit, diese gesetzliche Arbeitszeitverkürzung rückgängig zu machen. Gerade die Angestellten des französischen Service Public lehnen sich an vorderster Front dagegen auf. Doch die "35 heures", ein Produkt der Hochkonjunktur, stehen heute quer in der wirtschaftspolitischen Landschaft. Ökonomen rechnen vor, dass die Franzosen pro Jahr 300 Stunden weniger arbeiten als die Amerikaner und damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Die konservative Zeitschrift le point stellte kürzlich die Titelfrage: "Arbeiten die Franzosen zu wenig?"

Aber so einfach lässt sich der Rückwärtsgang nicht einlegen. Es wäre zu kurz gegriffen, die Angestellten des öffentlichen Dienstes einfach des Schlendrians zu bezichtigen. Während der 35 Stunden, die sie wöchentlich am Arbeitsplatz verbringen, legen sie sich nämlich ganz schön ins Zeug, wie zahlreiche Studien belegen. Die Franzosen arbeiten zwar heute weniger lang als andere, aber intensiver; die Produktivität beträgt in Frankreich 42 Dollar pro Arbeitsstunde, verglichen mit 29 bis 39 Dollar in Japan, Deutschland oder den USA.

Fazit: Die 35-Stunden-Woche bringt den Franzosen mehr Freizeit, aber auch einen höheren Arbeitsdruck. Maiers Pamphlet ist auch eine Reaktion auf diesen neuen Stress. Und darüber hinaus auf die Änderungen in der globalisierten Arbeitswelt, in der sich viele Angestellte nicht mehr zurechtfinden oder mit der sie sich zumindest nicht mehr identifizieren können. Der allgemeine Frust der Mitarbeiter wird durch Massenentlassungen, Fabrikverlagerungen ins Ausland, Konzernskandale und astronomische Chefsaläre gesteigert.

Gegen diese amerikanischen Arbeitssitten setzt Maier, wie die New York Times in einem Beitrag über das französische Buch schreibt, ihre "Faultierethik". Sich für einen anonymen Konzern zu engagieren und aufzureiben, so schreibt die eingestandenermaßen subversive Autorin, lohne sich für viele Werktätige nicht mehr.

Aber auch nicht, sich dagegen aufzulehnen. Maier propagiert die verdeckte Verweigerung, eben die Systemaushöhlung von innen her. Damit liegt sie auf der Linie jener Globalisierungsgegner, die nicht mehr mit gereckter Faust und roter Flagge auf die Straße gehen, sondern die Gesellschaft individuell und von innen her bekämpfen, sei das als Computerhacker oder als Attac-Militante.

Bonjour paresse hat indessen keinen ideologischen Anspruch. Es passt, wie die Autorin selbst sagt, nicht in eine politische Kategorie; es kommt locker, ja fast unbedarft daher und lässt bewusst offen, was humorvoll und was bitter ernst gemeint ist. Damit stellt es die Arbeitsbedingungen aber letztlich radikaler infrage als etwa der frühere Anti-Liberalisierung-Bestseller Der Terror der Ökonomie der Pariser Essayistin Viviane Forrester. Vielleicht eben deshalb, weil Maier kein Programm aufstellt, keine Antworten gibt und freimütig einräumt, sie habe keine Lösungen.