Salzburg - Sein Anzug strahlt wie hundert goldene Saxofone, dazu trägt er eine weiße Kapitänsmütze; und nahe am Herzen - da hängt auch noch irgendein Orden, der das Bild einer seltsamen Bekleidungskomposition komplettiert. Das passt alles zusammen wie Bananen und Senf, hat aber im großen Festspielhaus nicht weiter zu interessieren - eine Modeschau ist der Jazzherbst nun nicht. Und Jon Hendricks hat allen Anspruch auf Milde. Schließlich ist er sehr kurzfristig eingesprungen für Sängerin Patty Austin.

Als Substitut will man den alten quirligen Sänger, der bald, nachdem er begonnen hatte, immerhin das Käppchen abnimmt, nicht bezeichnen. Der Altmeister des Scatgesanges ist einer der innovativen Urväter des Genres. Ausgestattet mit den Erkenntnissen des Bebop, den schnittigen, langen Improvisationslinien, mit denen Charlie Parker einst den Swing vertrieben hatte, ging er daran, jedes instrumentale Kollegensolo, das ihm gefiel, mit Texten zu versehen und dann zu zeigen, dass die Stimme es mit Instrumenten aufnehmen kann.

Wenn er ohne Käppchen nicht wie der Vater von Vokalakrobat Al Jarreau aussehen würde, er könnte also dennoch - rein musikhistorisch betrachtet - als solcher bezeichnet werden. Sicher, die Stimme des 83-Jährigen hat sich mittlerweile von jenen Bereichen verabschiedet, wo Klangfülle dominiert. Allein, die Phrasierungskunst und die delikaten Möglichkeiten des Pointensetzens, sie sind nicht an Jahresringe gebunden.

Gute Bekannte

Gut auch, dass Hendricks und die Count Basie Bigband einander gut kennen. Dadurch lässt sich locker und unverkrampft miteinander musizieren - trotz der Spontaneität des Einspringens. Die Band ist schlicht ein tadelloses Museum der alten Sounds. Eine schmuseweiche Saxofonsection verschmilzt mit einem präzisen Trompetenquintett und einer Rhythmusgruppe, bei der der Pianist kein Problem damit hat, jene wenige Noten umfassende Kommentierarbeit des verstorbenen Basie zu simulieren.

Sehr sympathische Ausflüge in die Jazzgeschichte auch in Stiegls Brauwelt etwas später am Abend: Pianist Benny Green und Gitarrist Russell Malone reichern ihr Repertoire zwar auch mit discosouligen Songs von Earth, Wind & Fire an. Stilistisch reichen ihre Vorlieben aber doch vor allem in die 50er-Jahre zurück, als Hendricks begann, seinen Bebop-Stil zu entwicklen. Vor allem Green ist im Besitz einer unfassbaren Technik (Malone ist vor allem solide), die es ihm erlaubt, jedwede rasante Kopfidee in Klang umzusetzen. Diese nachzusingen oder gar mit Texten zu versehen, das hätte auch ein junger Hendricks wohl als unmögliche Mission betrachtet. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 11. 2004)