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Im Gegensatz zu John Kerry weigert sich Bush, Unternehmen, die ihre Produktion auslagern, höher zu besteuern.

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Auf den ersten Blick steht alles zum besten: George W. Bush wird nun wahrscheinlich doch nicht der erste US-Präsident seit Herbert Hoover sein, der eine Amtszeit mit weniger Jobs beendet, als er sie begonnen hat. Wie die Statistiker in Washington mitteilten, haben die amerikanischen Unternehmen im Oktober 337.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Zweimal mehr als erwartet, genauso viel wie die US-Wirtschaft laut Theorie braucht, um robust weiterzuwachsen. Bis Jahresende haben die USA aller Voraussicht nach all die Stellen wiederhergestellt, die sie in der Rezession verloren haben. Auch von der Erwerbslosenrate, die bei 5,5 Prozent liegt, können Europäer nur träumen.

Die Kehrseite: Nicht alle profitieren mit. Das verarbeitende Gewerbe hat seit Bushs Amtsantritt vor vier Jahren immer noch den Verlust von 2,7 Millionen Arbeitsplätzen zu beklagen. Und immer noch setzen die Fabriken den Rotstift an: Allein im Oktober verloren weitere 5000 Arbeiter ihren Job.

Outsourcing zieht weite Kreise

Schuld daran sind nicht nur Länder wie China, die den Markt mit Billigprodukten überschwemmen und dafür sorgen, dass die US-Hersteller auf ihren Waren sitzen bleiben. Allein in diesem Jahr wurden 400.000 Arbeitsplätze aus den USA ins billigere Ausland verlagert. Längst sind es nicht nur mehr die Vertreter der alten Industrien, die ihre Produktion auslagern.

Outsourcing zieht immer weitere Kreise, und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis es auch das Herzstück der US-Jobmaschine erreicht: den Dienstleistungssektor, in dem neun von zehn Amerikaner beschäftigt sind. Beispiel Kundenbetreuung: Telefonanfragen werden automatisch zu Callcentern in Indien durchgeschaltet. Laut der Universität Berkeley könnten mittelfristig 14 Mio. Arbeitsplätze ans Ausland verloren gehen.

Zwei Drittel brauchen einen Zweitjob

Bush hat einmal gesagt: "Man kann darauf wetten, dass, wer hart arbeitet und die richtigen Entscheidungen trifft, in Amerika erreichen kann, was er will." Einstweilen müssen die Arbeitnehmer mit stagnierenden Gehältern vorlieb nehmen. Der durchschnittliche Stundenlohn beträgt 15,83 Dollar - 2,6 Prozent mehr als letztes Jahr, kaum genug, um mit der Inflation Schritt halten zu können. Laut University of Washington verdienen neunzig Prozent der Arbeitnehmer heute weniger Geld als vor zwanzig Jahren. Zwei Drittel brauchen einen Zweitjob, um sich und ihre Familie über Wasser zu halten.

Was Bush II tun will: Im Gegensatz zu John Kerry weigert sich Bush, Unternehmen, die ihre Produktion auslagern, höher zu besteuern. Er will ganz Corporate America mit permanenten Steuersenkungen beglücken. Eine Anhebung des Mindestlohnes, der bei 5,15 Dollar pro Stunde und verglichen mit der Kaufkraft um 40 Prozent niedriger als 1967 liegt, ist nicht vorgesehen. Stattdessen soll das staatliche Umschulungssystem "reformiert" werden. Wie er das machen will, sagte er bisher allerdings nicht. (Beatrice Uerlings aus New York, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.11.2004)