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Die Materialforschung sieht vielfältige Möglichkeiten: Sogar die Selbstheilung von Werkstoffen und Werkzeugen scheint in greifbare Nähe gerückt.

Der T-1000 in James Camerons Terminator 2 war kein gewöhnlicher Bösewicht. Er bestand aus flüssigem Metall und konnte sich in jeden beliebigen Menschen verwandeln. Was das Kinopublikum seinerzeit in Staunen versetzte, bringt den Physiker bestenfalls zum Gähnen. Zumindest was das Prinzip dahinter betrifft. Denn dass gewisse Flüssigkeiten auf Knopfdruck fest und wieder flüssig werden können, weiß die Forschung seit Jahrzehnten.

Die Wandelbarkeit ließ in der physikalischen Praxis jedoch längste Zeit zu wünschen übrig. Die Wissenschafter mussten sich bis vor Kurzem damit, begnügen aus einer Flüssigkeit mit der Konsistenz von Milch ein puddingartiges Etwas zu erschaffen. Vergangenes Jahr gelang Forschern um Ping Sheng von der Hongkong University of Science and Technology jedoch ein Meilenstein. Sie arbeiteten mit einer so genannten elektrorheologischen Flüssigkeit (siehe Wissen). Sie bestand aus mit Harnstoff ummantelten, 50 Nanometer großen Teilchen einer Barium-Titan-Verbindung, die in Silikonöl verteilt waren. Unter Strom ließ die ER-Flüssigkeit das Puddingniveau weit hinter sich und erreichte eine Rekordhärte, die sich auf eine Höhe mit so manchem Kunststoff stellen kann.

Während Ping Sheng von Anwendungen für Kupplungen und Stoßdämpfer träumt und aktuell daran forscht, sieht Constantinos Mavroidis von der US-amerikanischen Northeastern University sie ebenfalls in der medizinischen Rehabilitation: Mavroidis und sein Team haben bereits Prototypen für eine Beinstütze entwickelt, die durch die Spannung einer kleinen Batterie den Druck erhöhen kann. Nicht nur ER-Flüssigkeiten sind wandelbar. Vor zwei Jahren hat IBM seine Autonomic-Computing-Inititative ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Partnern aus der Wissenschaft wird seither emsig am Systemen geforscht, die sich selbst konfigurieren, optimieren, vor Angriffen schützen und reparieren können.

IBM stellt "E- Fuse" vor

Die Forschung trug Früchte: Jüngst hat IBM eine Technologie namens E-Fuse vorgestellt. Mikroskopisch kleine Sicherungen machen in Kombination mit Softwarealgorithmen einen gewöhnlichen Computerchip zu einem autonomen. Durch das richtige Setzen der Sicherungen leitet der Chip logische Funktionen bei Bedarf um. Droht eine Überlastung wie beispielsweise durch die Überhitzung des Hauptprozessorkernes, wird die Verbindungen zu ihm gekappt und ein Ersatzkern aktiviert. Ein mechanischer Schaden - und damit der Garant für einen Systemabsturz - kann so vermieden werden. Einmal entstandene Schäden kann E-Fuse jedoch nicht reparieren. Und auch keine andere noch so ausgeklügelte Technologie: "Eine Selbstheilung von mechanischen Komponenten ist heute noch im Bereich der Sciencefiction anzusiedeln", so Rainer Worst vom Fraunhofer Institut Autonome Intelligente Systeme.

Neue Beschichtungen

Ebenso Zukunftsmusik, aber in realistischerer Nähe ist Selbstheilung in der Materialforschung. Doch wie bei E- Fuse ist der aktuelle Zugang das Erkennen eines Problems, um ihm aus dem Weg zu gehen. So forscht der von der Österreichischen Nanoinitiative geförderte Projektcluster NanoCoat (siehe unten stehenden Bericht) an Beschichtungen, die auf übermäßige Belastungen hinweisen. Und nicht nur das: Wird ein Werkzeug kaputt, zeigen sie an, warum. In der Erkundungsrobotik, wo eine unwirtliche Umgebung schon manchem Roboter unschöne Schrammen und mehr eingebracht hat, wird es ebenfalls vorgezogen, Hindernisse zu umgehen, als sich dem direkten Kampf Maschine gegen Stein zu stellen.

Forschern um Zack Butler vom Dartmouth College in New Hampshire, USA, schwebt in diesem Zusammenhang ein Roboter vor, der sich falls erforderlich nach dem Baukastenprinzip in seine Einzelteile zerlegen und wieder zusammensetzen kann - ohne äußeres Zutun. Diese Einzelteile sollen identisch aufgebaut sein und sowohl vereint als auch völlig unabhängig voneinander operieren können. Einen entsprechenden Algorithmus haben die Forscher bereits entwickelt.

Da es zurzeit noch keine passende Hardware gibt, bauten und testeten die Wissenschafter die Robotermodule virtuell. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wird es für den Roboter im unwegsamen Gelände zu eng, kann er einfach ein paar Teile abwerfen. Jedes Modul überwindet dann für sich allein das Hindernis. Ist es geglückt, fügen sich die Teile wieder zusammen und bringen ihre Erfahrungen in das Hauptsystem ein. Ist eines der Teile verloren gegangen oder beschädigt, wird es nicht mehr integriert. Dem Gesamtsystem tut das keinen Abbruch. Ist ein derartiger Roboter einmal in die Realität umgesetzt, lässt er sich in Richtung T-1000 weiterentwickeln. Man braucht nur noch die passende Flüssigkeit kreieren, die die Module ersetzt. Oder will es mit der Flüssigkeit nicht so recht klappen, Nanomodule bauen.

Diese sind dann so klein, dass sie sich zu jeder beliebigen Form zusammensetzen lassen. Vor Missbrauch muss jedoch schon heute gewarnt werden. Denn als Vase oder anderes schmuckes Interieur getarnt, ist es für solch einen Roboter ein Leichtes, lange Ohren zu bekommen. (Martina Gröschl, Der Standard, Printausgabe, 8.11.2004)