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Kanzler und Bundespräsident schreiten die Ehrengarde ab. Die Grünen sehen den Oberbefehlöshaber in Brüssel.

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Wien - Über die Grünen brach am Montag ein Sturm der Entrüstung herein. "Grüne sagen Ade zur Neutralität" hatte der STANDARD getitelt und über einen Beschluss des Erweiterten Bundesvorstands berichtet, in dem sich die Parteispitze zu einer Vergemeinschaftung der europäischen Sicherheitspolitik bekennt.

Peter Pilz erläuterte das Papier: "Die Grünen sind erstmals für das Ersetzen der Neutralität durch die Sicherheitsgemeinschaft. Ziel ist eine Gemeinschaft, die 25 nationale Armeen durch ein gemeinsames Militär als Instrument einer gemeinsamen Friedenspolitik ersetzt.“ In dem Beschluss heißt es: "Die Grünen treten für die Vergemeinschaftung der Außenpolitik und in deren Folge für die Vergemeinschaftung der Sicherheitspolitik ein."

Bei den Grünen liefen die Telefone heiß, und im Internet wurde heftig diskutiert: Allein im Online-Standard gaben binnen weniger Stunden 300 User ihre Kommentare ab. Auf der Homepage der Grünen lief die Diskussion unter dem Motto: "Grüne wollen Neutralität gegen Krieg tauschen."

Unmoderner Grüner

Bundesrat Stefan Schennach bezeichnete sich im STANDARD-Gespräch als "unmoderner Grüner". "In einem europäischen Sicherheitssystem muss auch Platz für neutrale Staaten sein", sagt er, und er glaubt die Mehrheit der Wiener Grünen hinter sich. Die Parteispitze versuchte am Montag zurückzurudern: Vizechefin Eva Glawischnig nannte bei einem Pressegespräch zwei Bedingungen, die derzeit praktisch unerfüllbar erscheinen: Die Grünen würden einem Abschied von der Neutralität nur dann zustimmen, wenn kein europäischer Staat mehr eine Sonderrolle habe, also nicht mehr der Nato angehöre. Außerdem müsste das EU-Parlament die gemeinsame Sicherheitspolitik aktiv kontrollieren können.

Für den Grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber ist es bis zur Abschaffung der österreichischen Neutralität "noch ein weiter Weg". Mit ihrem Beschluss hätten die Grünen "eine große Vision" aufzeigen wollen. Von einer „fundamentalen Richtungsänderung“ sprach SP-Chef Alfred Gusenbauer. Die SP sei Garant für die Beibehaltung der Neutralität. Bundesgeschäftsführerin Doris Bures sieht ein "Andienen" der Grünen an die Volkspartei.

"Jeder Partei ist es unbenommen, da Positionierungen zu treffen", sagte Generalsekretär Reinhold Lopatka. "Unter den Grünen ist es ja so, dass sich unmittelbar an ihrer Position nichts ändert." An der Neutralität werde festgehalten. Für FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch ist die Vergemeinschaftung der nationalen Armeen "absurd". (DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2004)