Zwei symbolträchtige Ereignisse am gleichen Tag in Budapest: Der ungarisch-amerikanische Philanthrop und Financier George Soros wurde am Freitag anlässlich des 20. Jahrestages seiner Stiftung zur Förderung einer offenen Gesellschaft mit dem höchsten ungarischen Orden ausgezeichnet.

Fast zeitgleich spielten sich einige Straßenzüge weiter in und vor der Redaktion der liberalen Tageszeitung Magyar Hirlap Szenen ab, die Chefredakteur Pál Szombathy mit den Zuständen unter dem Kadar-Regime verglich. Der Schweizer Ringier-Zeitungskonzern habe die Redaktion irregeführt und so die Herausgabe der letzten Nummer mit Abschiedsartikeln bewusst verhindert.

Dass die Schweizer Zeitungsgruppe die Verluste (ca. acht Mio. Euro seit 2001), nicht weitertragen wollte, ist freilich verständlich. Es waren die Begleitumstände, wie die Aussperrung der Redakteure, die Einstellung des Onlinesystems und andere Vorkommnisse, die scharfe Proteste des Journalistenverbandes und der anderen Zeitungen ausgelöst hatten.

Zeitungskrise und Kapitalismus

Unabhängig davon, wie lange die nun von den Redakteuren in "Eigenregie" produzierte neue Zeitung "Punkt" erscheinen mag, zeigt der Fall von Magyar Hirlap nicht nur die anhaltende Zeitungskrise auch in Ungarn. "Nun sehen wir die hässliche Fratze jenes Kapitalismus, der uns auch angeblich durch abgesicherte Pressefreiheit retten wollte", so ein ungarischer Redakteur. Die Ringier-Gruppe besitzt eine ganze Reihe höchst profitabler Zeitungen und Magazine und übernahm im März 2003 nach einem Tauschgeschäft mit dem Bertelsmann-Konzern auch die Kontrolle über die größte Qualitätszeitung, "Nepszabadsag", mit einer Auflage von 160.000 Exemplaren. Ihre Beauftragten ordneten eine allgemein als missglückt empfundene Layoutreform samt Boulevardisierung an.

Viele hofften nach der Wende, dass das Westkapital ein Gegengewicht zu den Intrigen kommunistischer Netzwerke und den Umtrieben zwielichtiger Mafiosi bilden würde. Mächtige Mediengruppen, vor allem aus Deutschland, beherrschen neben Ringier den Zeitungsmarkt in Ungarn und Polen, Tschechien und der Slowakei, Bulgarien und Mazedonien. Wissenschafter und Menschenrechtsgruppen weisen auf bedenkliche Tendenzen in der Medienlandschaft hin: So schlägt etwa Springers neue Tageszeitung "Fakt" in Polen, wohl aus Gründen der Profitmaximierung, immer wieder - wie jüngst in der Wiedergutmachungsdebatte - populistische Töne an. In Rumänien wiederum kam es - unter anderem wegen einiger regierungskritischer Artikel - zum offenen Konflikt zwischen der deutschen WAZ-Gruppe und der Redaktion der Zeitung Romania Libera: Man warf dem früheren Balkankoordinator Bodo Hombach vor, als WAZ-Geschäftsführer zu enge Kontakte mit Ministerpräsident Nastase zu pflegen. Und drei von der WAZ kontrollierte mazedonische Zeitungen waren federführend in der Stimmungsmache gegen die albanische Minderheit vor dem kürzlich abgehaltenen Referendum.

Die frappierende Gleichgültigkeit westlicher Medienmanager gegenüber den Einmischungsversuchen machthungriger Politiker, nationalistischer Gruppen und korrupter Geschäftsleute hat die Erwartungen der kritischen Intellektuellen von Budapest bis Sofia bitter enttäuscht. Es ist die Aufgabe der internationalen Organisationen und der demokratischen Öffentlichkeit, die Zeichen der Gefahr rechtzeitig zu erkennen und dieser bedenklichen Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. (DER STANDARD; Printausgabe, 11.11.2004)