Bild nicht mehr verfügbar.

Der Lagerfeld-Coup könnte einiges von dem "ad absurdum führen, was das Modebewusstsein der letzten Jahre geprägt hat

Foto: REUTERS/Philippe Wojazer
Wien - Man erzählt sich ja soviel. Und auch wenn sich das, was in Wiener Modekreisen die Runde macht, nie festmachen lassen wird, klingt die Geschichte zu schön - und plausibel - um sie nicht weiter zu erzählen. Unter Betonung aller oben erwähnten Unverbürgtheiten.

Dass es ausgerechnet Lagerfeld ist, der beim Schwedenbomber nun über den Ladentisch ging, heißt es, sei kein Zufall: denn neben der Geschwindigkeit, mit der die Designer von H&M die aktuellen Trends der großen Couturehäuser in die eigene Kollektion - äh - einfließen lassen, zählen Logistik und Analyse des Kaufverhaltens der Kundschaft zu den anerkannten Qualitäten des Konzerns.

Couture-Fake-Ranking

Dass man da sehr genau Buch geführt hat, welche Designerannäherungen am besten geht, scheint nur logisch. Dass dieses Couture-Fake-Ranking Lagerfeld-nahe Kreationen "gewannen", ist nur eine Behauptung. Ihre Überraschung, erklären Insider (im Nachhinein), habe sich jedoch in Grenzen gehalten, als H&M dann den Namen Lagerfeld verkündete: Letzterer habe sich wohl auch überlegt, ob er lieber unbezahlt kopiert wird, wo er genauso gut profitieren könne. Doch zurück zu den Fakten.

Neues Bewusstsein

Dass der Couturier nun - und ausgerechnet - bei H&M eine Kollektion auf den Markt bringt, wird von Modebeobachtern auch anderweitig mit Interesse verfolgt. Schließlich, erklärt Ulrike Tschabitzer von der Wiener Mode- und Designerplattform unit f, könne der Coup einiges von dem "ad absurdum führen, was das Modebewusstsein der letzten Jahre geprägt hat".

Versandhaus La Redoute verfolgt Konzept seit Jahren

Konkret, so Tschabitzer, stehe das - nicht zuletzt durch den Österreich-Markteintritt von H&M 1994 hierzulande erst mögliche - "Sampling" auf den Prüfstand: Längst kombinieren Modekäufer hemmungslos eine Hand voll teurer Designerstücke mit einer Unzahl billiger Saisonteile. Nur: "Wozu soll man noch teure Teile kaufen, wenn sie von H&M jetzt nicht nur kopiert, sondern auch unter dem echten Namen erscheinen?", fragt Tschabitzer. "Für die großen Labels ist es eine Horrorvorstellung, dass H&M dieses Konzept fortsetzen könnte." Oder aber, dass andere Massenanbieter die Idee übernehmen könnten: "H&M hat das ja nicht erfunden: Das Versandhaus La Redoute verfolgt dieses Konzept seit drei Jahren mit absoluten Spitzennamen und enormem Erfolg." Nur erreiche der französische Versand eben nicht jene Massen wie ein multinationaler Konzern mit über 1000 Shops - auch wenn "nur" die Hälfte Lagerfeld führt.

Zugehörigkeit zu einer Elite

Just jene Breite, so die Modeexpertin, mache aber auch die Folgen des Projektes "Lagerfeld für die Massen" zu einem interessanten Thema: Das Image der Megacouturiers fuße schließlich auch darauf, dass das Tragen ihrer Kollektionen von den Trägern oft als Beleg der eigenen Individualität oder der Zugehörigkeit zu einer Elite gesehen werde. Tschabitzer: "Wenn aber heute in ganz Europa H&M-Filialen innerhalb von Minuten ausverkauft sind, entsteht etwas ganz anderes: der europäischen Mao-Anzug für sämtliche Weihnachtsfeiern im Jahr 2004." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe 13.12.2004)