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Foto: APA/EPA/Simone Neumann
Der Staat gefährdet durch den zentralisierten Bucheinkauf das Überleben der unabhängigen Buchhandlungen.


Wien - Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels lädt zum Fest: Zum 57. Mal bietet die Österreichische Buchwoche im prunkvollen Rahmen des Wiener Rathauses einen Überblick über das heimische Verlags- und Buchhandelswesen. 130 österreichische und deutsche Editionen präsentieren bis Sonntag ihr Sortiment, das in 14 Buchhandlungen vor Ort erstanden werden kann.

Hinter den Festkulissen allerdings herrscht größte Nervosität. Ausgerechnet die Republik Österreich, der Staat selbst, arbeitet derzeit massiv an der Zerstörung jener weit gehend intakten kulturellen Infrastruktur, die sich hier noch einmal präsentiert.

Bereits in wenigen Wochen, am 1. Jänner 2005, tritt, sollte sich bis dahin nichts ändern, eine Regelung in Kraft, die das Ende der flächendeckenden Versorgung der Österreicher mit dem Kulturgut Buch einleiten könnte: Dann nämlich sollen - der STANDARD berichtete wiederholt, siehe auch Rüdiger Wischenbart im Kommentar der anderen vom gestrigen Montag - alle Bücher des Kunden Staat über die BBG, die Bundesbeschaffungsgesellschaft, zentral in einer Buchhandlung eingekauft werden. Der Auftrag erging an die Firma Morawa und Co., die für Bücher und Zeitschriften einen Gesamtrabatt von 16 Prozent bot.

Nun unterliegen aber Bücher bekanntlich dem Buchpreisbindungsgesetz. Auch staatliche Institutionen erhalten einen Maximalrabatt von fünf Prozent. Möglich wurde die immense Überschreitung des Rabatts durch einen Trick: Auf Zeitschriften nämlich darf Rabatt in beliebiger Höhe gewährt werden.

Für den Buchhandel bedeutet die Regelung eine Katastrophe: Zahlreiche Buchhändler überleben durch die Einkäufe nahe gelegener Bundesbibliotheken und anderer Bundesinstitutionen.

Und auch jene Institutionen selbst fürchten den erzwungenen Zentraleinkauf: Die zentrale Lieferung bedeutet umständliche Bestellung, längere Lieferzeiten und vor allem: schlechten Service. Denn der staatliche Buchkauf umfasst längst elektronische Fachzeitschriften, zum Großteil aus den USA, deren Bestellung bisher über hochspezialisierte Buchhändler erfolgte. Morawa zeigt sich hier personell wie inhaltlich überfordert - weshalb die Bibliothekare bereits im Vorfeld über enorme Zusatzarbeit klagen. Arbeitsstunden, deren Bezahlung die zu erwartenden Rabattgewinne möglicherweise übersteigt.

Mag der zentrale Einkauf des Staates über die BBG in anderen Bereichen auch durchaus sinnvoll sein - im Falle des Kulturgutes Buch zeitigt er verheerende Folgen und nicht einmal finanziellen Gewinn. Handeln ist dringend angesagt, bevor aus reiner Ungeschicklichkeit ein irreversibler Prozess der Zerstörung seinen Gang nimmt.

Erste Schritte unternahm der Hauptverband im Sommer: Er reichte eine Klage ein gegen Morawa wegen unlauteren Wettbewerbs aufgrund der hohen Rabattzusagen. Als Antwort stellte die BBG die Verfassungskonformität des Preisbindungsgesetzes infrage. Ein Vorgehen, das das Ausmaß an Absurdität des BBG-Agierens veranschaulicht: Eine Regierungsinstitution (die BBG ist eine hundertprozentige Tochter des Finanzministeriums) attackiert jenes Gesetz, das erst vor wenigen Monaten im Parlament von allen vier Parteien einstimmig verabschiedet worden war!

Der 1. 1. 2005 indes naht unerbittlich. Und die Vertretungen des Buchhandels bleiben auffallend passiv: vor allem die Wirtschaftskammer, neben dem Hauptverband die zweite Interessenvertretung der Branche. Offenbar hat sie wenig Interesse, gegen Morawa und die BBG vorzugehen.

Morawa in der Kammer

Wen wundert's? Sitzen doch im Ausschuss der Fachgruppe Wien der Buch- und Medienwirtschaft Emmerich Selch, Mitbesitzer und Geschäftsführer von Morawa und Co., das den BBG-Auftrag ergatterte - und Gerald Schantin, Geschäftsführer der Buchhandelskette Morawa Styria und der Buchauslieferung Mohr Morawa, zweier weiterer Töchter des mächtigen Morawa-Konzerns. Auch in der bundesweiten Vertretung, dem Fachverband, sitzen beide Morawa-Herren. Schantin ist zudem Präsidiumsmitglied des Hauptverbandes.

Der Hauptverband seinerseits erwägt nun, sollte sich der Prozess weiter verzögern, eine einstweilige Verfügung gegen Morawa. Diese könnte, wird ihr stattgegeben, die Ausführung des Vertrags vorläufig verhindern.

Die einfachste und schnellste Lösung jedoch liegt bei Karl-Heinz Grasser. Eine simple Anordnung des Finanzministeriums genügt, den Artikel Buch aus der Einkaufsliste der BBG zu streichen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2004)