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München - Als alles Heldische, Plärrende, Erztönende auf den deutschen Nachkriegsbühnen unrettbar in Verruf geraten war - mit der einen Ausnahme Will Quadfliegs -, da war der Boden erst bereitet für einen stets vergrübelten, in seiner heldischen Statur wie in einem Grübelkäfig aus Haut und Knochen festsitzenden Schauspielstar Helmut Griem.

Der gebürtige Hamburger, der von Oscar Fritz Schuh früh von Lübeck an das Kölner Theater geholt wurde, wurde zu einem exzeptionell "deutschen" Filmstar. Seine Auftritte in Luchino Viscontis Die Verdammten oder in Bob Fosses Cabaret befestigten das Bild eines eher tragisch als melancholisch überschatteten Beaus, der noch in gewichsten Stiefeln und mit dem Totenkopf auf der Tellerkappe das Klischeebild des Hollywood-Nazis umging oder für ungültig erklärte - es förmlich in düster durchtränkte Streifen zerriss. Als Theaterschauspieler wird man Griems skrupulöse Charakterkunst für immer mit den Regisseuren Hans Lietzau und, an den Münchner Kammerspielen, mit Dieter Dorn verbinden. Seine Artistik, etwa als Tellheim in Lessings Minna, als merkwürdig trockener Faust in Dorns Inszenierung von Goethes Klassiker, wich nie ganz ab vom Ideal eines "Realismus", der noch aus den entlegensten Winkeln einer Figur deren Beschädigungen und bestürzenden Dämonien hervorkratzt.

In den 90er-Jahren, als Griem verschiedentlich auch als Regisseur etwa am Wiener Josefstadt-Theater tätig wurde, geriet der zurückhaltende Star mit den auf den Bühnen kursierenden Moden zusehends in Konflikt. Akribisches Textstudium ersetzte Griem das Winken mit den Zaunpfählen der "Sensation". Wer seine Befragungen goutieren wollte, musste sich mit düsteren, arg verlangsamten und getragenen Bühnenexerzitien oft unter Mühen anfreunden. Es scheint kaum glaublich, dass Helmut Griem einst als Higgins in My fair Lady Triumphe feierte und auch Kommerzangebote nicht verschmähte. In den letzten Jahren machte sich der große Unzeitgemäße überwiegend rar. Nun hätte er in Dieter Dorns Botho-Strauß-Inszenierung von Die eine und die andere einen letzten Auftritt am Residenztheater feiern sollen. Jetzt ist Helmut Griem nach schwerer, kurzer Krankheit in München gestorben. (poh/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.11.2004)