Wien - Statistiken richtig zu interpretieren sei oft gar nicht einfach, weiß der Kriminalsoziologe Arno Pilgram. Das zeige sich zum Beispiel bei der am Mittwoch vom Innenministerium veröffentlichten Kriminalstatistik, wonach zwischen Jänner und Oktober 2004 von insgesamt 198.840 Tatverdächtigen 9246 Asylwerber gewesen sind.

Bezogen auf die rund 22.000 derzeit in Österreich lebenden Asylwerber würde dies bedeuten, dass mehr als 30 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe in eine vermutlich kriminelle Handlung involviert gewesen sind: Eine Interpretation, der man im Büro von Minister Ernst Strasser (ÖVP) nicht widerspricht. Obwohl - wie Pilgram betont - "bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt wird, dass der Asylbereich ein wahres Durchhaus ist".

Manche Asylwerber befänden sich jahrelang, andere nur wenige Tage im Land; im Durchschnitt, sagt der Experte, könne man von "einem halben Jahr Verbleib" in Österreich ausgehen. Um den Tatverdächtigenanteil also korrekt zu errechnen, müsste man "von einer Grundgesamtheit von mindestens 40-, wenn nicht 50.000 Asylwerbern ausgehen". Nachsatz: "Doch diesbezüglich gibt es leider keine verlässlichen Daten".

Letzteres klagten am Mittwoch auch amnesty, Diakonie, Caritas und die Grünen-Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits ein. Während Asylanwalt Georg Bürstmayr darüber hinaus auch auf die "besondere Problematik afrikanischer Drogendealer" hinwies: So genannte Streetrunner, denen von Mittelsmännern "zu einem Asylantrag geraten" werde.

"Wohl um die 80 Prozent" - erläutert Bürstmayr - liege der Tatverdächtigenanteil in dieser Asylwerbergruppe. Der Polizei falle es leicht, sie auf der Straße als Verdächtige zu erkennen. Würden sie festgenommen, hätten "die großen Bosse, die ganz woanders sitzen", keine Probleme damit, weitere Kleindealer zu rekrutieren.

Zumal Jobperspektiven für Afrikaner dünn gesät seien - sogar auf dem Schwarzmarkt. "Wer hier ernsthaft Abhilfe schaffen möchte, muss alternative Beschäftigungsprojekte für die Betroffenen forcieren", merkt hier der Soziologe Pilgram an. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2004)