Da ist einiges passiert zwischen dem dicken, schwarzen Wams, in dem Friedrich Graf Stubenberg 1575 zur letzten Ruhe gebettet wurde, und dem weißen Brautkleid aus Kunstseidensatin, das 1959 gefertigt wurde, um darin eine junge Frau als personifizierte Unschuld zum Traualtar zu schicken. Die beiden Gewänder umklammern die Ausstellung "Dress Code", mit der das Landesmuseum Joanneum in Graz die Geschichte der Mode von 1570 bis 1960 in Ausschnitten erzählt.

Wie unmittelbar einst Machtverhältnisse, Kriege und wirtschaftliche Krisen das Outfit von Bürgern und Adeligen prägten, wird dabei mit einigen Texten an den Wänden und beispielgebenden historischen Kostümen, Accessoires und korrespondierenden Gemälden veranschaulicht. Dafür stöberte die Chefin der Kulturhistorischen Sammlung des Museums, Eva Marko, nicht nur in der eigenen Sammlung, sondern zeigt auch Leihgaben aus München, Dresden und Wien.

Die Farbe Schwarz herrschte in jener Zeit, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in höfischen Kreisen vor, war es doch die Farbe der spanischen Hoftracht. Den so genannten niederen Ständen war das Tragen von Gold und Silber verboten. Anhand der kunstvollen, pompösen, mitunter auch skurrilen und überspitzten Ausschweifungen barocker Gewänder des frühen 17. Jahrhunderts können sich Ausstellungsbesucher ein Bild davon machen, wie sich modische Trends schon immer gegen physikalische Gesetze, Gesundheit oder Pragmatik durchsetzten. Sie hielten allerdings länger an als heute.

Tiefroter Seidendamast mit Goldstickerei, Schuhe mit Klöppelspitze für die Damen, elegante, mit hohen Stöckeln für die Herren und aufwändig mit emaillierten Bildchen verarbeitete Taschenuhren verdienen es, genau studiert zu werden. Ebenso die weit ausladende "Robe à la française" aus dem Rokoko, mit der die Trägerin nur durch großzügige Doppelflügeltüren ungehindert einen Raum betreten konnte. Paris war nicht nur schon seit Ludwig IV. die Modemetropole schlechthin, die Französische Revolution war es auch, die es dem einfachen Bürgertum ermöglichte, sich mehr oder weniger nach der Mode zu kleiden. Der auf die Revolution folgende Stil des Empire ließ die Taille der Frauen nach oben wandern, die Kleider schlichter und gerader hinunterfallen und Weiß - als Farbe, die man mit der griechischen Antike assoziierte - zur Modefarbe werden.

Die weibliche Taille wird rückblickend zur ausgeweiteten Kampfzone für gesellschaftspolitische Pendelbewegungen. Denn im Biedermeier hieß es für Frauen wieder Luft anhalten bis es dunkel wird. Während sich ausgestellte Hüften in der Gründerzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Nähmaschine die Textilindustrie umkrempelte, wieder legten, blieb die unnatürliche Wespentaille noch bis zur Jahrhundertwende die Norm.

Pailletten und Glasperlen gegen Armut

Doch so genannte "Reformkleider" ließen zwar aufatmen, setzten sich aber nicht wirklich durch. Die flotten Charlestonkleider, die 20 Jahre später mit Pailletten und Glasperlen gegen Armut und Depression glitzerten, überzeugten die Massen dagegen endgültig davon, dass Frauen auch ohne Atemnot schick aussehen können.

Die Fotografien des Pioniers der Modefotografie, F.C. Gundlach, schließen - auch räumlich - direkt an die Chronik von "Dress Code" an. Nach den kargen Jahren des Zweiten Weltkrieges, in denen man aus Vorhangstoffen im Heimdesign Abendkleider fabrizierte, übernahmen Eleganz und Extravaganz die Welt der Laufstege. Gundlach prägte diese Welt gemeinsam mit Christian Diors "New Look" mit. Rund 180 seiner Bilder, die seit 1963 in der Modezeitschrift Brigitte erscheinen, zeigen im Joanneum das Bild der unabhängigen, "frechen" Frau, die unaufhaltsam und mit "gebührendem" Stil gesellschaftliche Tabus zu brechen scheint: Frauen allein vor der urbanen Skyline, auf "Abenteuerurlaub" in der Wüste oder auf Tuchfühlung mit der Technik, die als Maserati zum Modeaccessoire mutiert. Auch wenn sich die Models oft nur an solchen Gefährten anlehnen, statt sie zu fahren: Von den eng sitzenden Miedern ihrer Vorfahrinnen sind sie meilenweit entfernt. (DERSTANDARD/rondo/Colette M. Schmidt/26/11/04)