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Um die Auslastung der Spitäler zu verbessern, wird in der Steiermark öfter als notwendig operiert, vermutet man im Hauptverband. Die Ärzte weisen die Vorwürfe von sich.

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Wien/Graz - "Nein, die Zahlen können nicht stimmen", wehrt Primarius Gottfried Filzwieser energisch ab. Der Chef des steirischen Krankenhauses Deutschlandsberg sieht sich wie etliche seiner Kollegen mit mysteriös hohen Operationsziffern konfrontiert, die er weder bestätigen noch erklären kann.

In Deutschlandsberg wurden 2003 nach Zahlen des Hauptverbandes der Sozialversicherungen bei Kindern bis 14 Jahren um 854 Prozent mehr Blinddarmoperationen als im Bundesschnitt durchgeführt. Im Krankenhaus Weiz sogar 1586 Prozent mehr in dieser Altersgruppe. Der dortige Primarius Anton Gruber: "Ich bin überrascht. Offenbar ist die Größe des Bezirkes nicht berücksichtigt worden. Wir operieren doch nicht aus Jux und Tollerei."

Spitzenreiter ist das Krankenhaus Fürstenfeld, wo in Summe quer durch alle Altersschichten 115 Prozent mehr Blinddärme entfernt werden als anderswo in Österreich. Die Zahlen an die Öffentlichkeit gebracht hat jetzt die Geschäftsführerin des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Beate Hartinger, und sie kündigt im STANDARD-Gespräch weitere Enthüllungen an. Denn es sei nicht nur der Appendix. Auch bei Mandel-, Gebärmutter-oder Eierstockentfernungen lägen Signifikanzen vor. Und das nicht nur in der Steiermark. Hartinger: "Jedes Krankenhaus sucht sich offenbar seine Mehrleistungen."

Der medizinische Vorstand der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages), Christian Kehrer, bestätigt die Zahlen des Hauptverbandes, kann sich aber noch keinen Reim daraus machen. Kehrer zum STANDARD: "Wir sind jetzt dabei, alle Daten zu erheben, man muss ja auch Variablen wie Einzugsgebiet oder die Größe des Bezirkes einbeziehen. Aber natürlich sind die Zahlen signifikant. Wir müssen dem auf den Grund gehen."

Für Beate Hartinger liegt die Sache klar auf dem Tisch: "Hier geht es Auslastungs-und Abrechnungsmotive." Einige der Spitäler seien wegen geringer Auslastung in Gefahr, geschlossen zu werden. Mit vermehrten Operationen sei die Auslastung nun erhöht worden. Hartingers schwere Unterstellung: "Es sind Operationen, die relativ harmlos sind. Deshalb tut man's ja vor allem bei Jugendlichen. Oder glauben sie, irgendeine Mutter wagt es, einem Arzt zu widersprechen, wenn er sagt, der Blinddarm muss raus."

"Beinahe alle Blinddärme mussten aber tatsächlich raus", widerspricht Kehrer. "Wir haben etwa in Fürstenfeld die letzten Operationen, Fall für Fall angeschaut." Von vierzig Appendektomien sei nur eine nicht notwendig gewesen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2004)