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... einen Scheich und Geschäftsmann, der die vielseitige Verwendbarkeit seines Produkts möglicherweise erkennt.

Vor genau einem Jahr trug sich Christian "Chrilly" Donninger mit dem Gedanken, alles hinzuwerfen. Sein Programm Brutus war bei der Computerschachweltmeisterschaft in Graz seiner Favoritenrolle mit dem vierten Platz nicht gerecht geworden. Sein bisheriger Sponsor - der ihn ohnehin nur sehr mäßig entlohnt hatte - zog sich zurück. Was dann passierte, hört sich fast an wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Schon in Graz hatte ein Abgesandter eines Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rechenmonster beobachtet. Kurz vor Weihnachten griff der Scheich - der seinen Namen nicht gerne in der Zeitung liest - in seinem Palast in Abu Dhabi selbst zum Hörer und wählte eine Nummer im niederösterreichischen Altmelon. Dort hat die Vorwahl fünf und die Rufnummer drei Ziffern. Und alles wurde gut: Die Firma PAL Computer Systems nahm Donninger unter Vertrag, der nun endlich ein angemessenes Gehalt erhielt und Brutus zu Hydra weiterentwickelte.

Im August folgte die süße Rache. In einem Wettkampf in Abu Dhabi filetierte Hydra das deutsche Programm Shredder, den Sieger von Graz, nach allen Regeln der Schachkunst und gewann 5,5:2,5. Es ist aber eben nur fast ein Märchen. Scheichs, die mit Dollarnoten um sich werfen, gibt es nur in westlichen Klischees, sagt Donninger. Ja, sein Geldgeber sei ein großer Schachfan, aber in erster Linie Geschäftsmann. Er habe sich keinen Schachferrari eingekauft, sondern eine neue Computerarchitektur. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen, rein auf Software basierenden Schachprogrammen, ist Hydra eine Mischung aus Hardware und Software.

Der technologische Clou besteht in den FPGA-Steckkarten. Diese "field-programmable gate arrays" sind reprogrammierbar und damit im Gegensatz zu herkömmlicher Hardware flexibel. Verbesserungen und Weiterentwicklungen können ohne großen Mehraufwand vorgenommen werden. Dies sei der entscheidende Unterschied zum legendären IBM-Schachcomputer Deep Blue, der 1997 den damaligen Weltmeister Gary Kasparov in einem Aufsehen erregenden Wettkampf schlug, so Donninger: "Bei Deep Blue war der Chip nicht mehr reprogrammierbar, da haben Sie sehr hohe Fixkosten von bis zu einer Million Dollar für die Änderung eines Musters." Und anders als Deep Blue, der einen eigenen Raum benötigte, ist Hydra nur so groß wie ein Kühlschrank.

Dass es Donninger gelungen ist, mit relativ einfachen und sehr billigen Komponenten einen Supercomputer zu entwickeln, legt Anwendungen außerhalb der 64 Felder des Schachbretts nahe. Aufgrund seiner enormen Rechenkraft könnte er etwa im Bereich der Biometrie und Bilderkennung zum Zuge kommen, also etwa zum Vergleich von DNA oder Fingerabdrücken. Und dafür gibt es zurzeit großes Interesse, denn die Reisepässe, in denen bald biometrische Merkmale aufgenommen werden sollen, müssen schnell gelesen werden können. Vielleicht möchte der Scheich, der beste Verbindungen in die USA hat, ja einmal alle dortigen Flughäfen mit einem entsprechenden System ausstatten. "Mich persönlich interessiert das weniger, ich und finde das auch nicht besonders gut", hält Chrilly Donninger Distanz zu dieser Anwendung: "Schach ist da doch harmloser." (Oliver Hochadel, Der Standard, Printausgabe, 29.11.2004)