Versteckte Kameras, versteckte Künstler: Die kanadische Band The Hidden Cameras präsentiert ihre jubilierenden Popsongs bei zwei Liveterminen in Linz und Wien

Foto: Rough Trade / Hidden Cameras/Guntar Kravis
The Hidden Cameras zählen mit The Arcade Fire zur Spitze neuer kanadischer Bands. Bekannt für erhabenen Pop und schwule Themen, gastiert die Formation nun erstmals in Österreich.


Linz/Wien - "I found music/ and he found me. I gave him some tambourine/he gave me a scream. I washed his dirty underwear/he made me a toast. Music filled my mug with vaseline/I gave him a choke."

Der Mann, der hier die Freuden der Musik auf recht ungewöhnliche Art lobpreist, heißt Joel Gibb und lehnt sich mit seinen Texten sonst noch viel weiter aus dem Fenster als in Music Is My Boyfriend. Andere Songs heißen Golden Streams oder Smells Like Happiness und behandelten auf dem 2003 erschienenen Debüt The Smell Of Our Own explizit (Homo-)Sexualität.

Das führt in manchen Reaktionen auf die Musik von The Hidden Cameras zu den üblichen Abweisungen aufgrund anerzogener Vorurteile. Einerseits. Andererseits wird ihr Werk theoriereich auf gesellschaftspolitische Bedeutung abgeklopft, die dann meist in liberal-menschelnde Abhandlungen münden, die scheinbar erklären, dass es schon auch notwendig und richtig ist, dass Gibb solche Dinge textet und singt. Bumsti.

Natürlich ist es wichtig, dass, solange jemand aufgrund sexueller Orientierung diskriminiert wird, Aufklärungsarbeit dagegen geleistet werden muss. Doch gerade Joel Gibb, die einzige Konstante dieses musizierenden Freundeskreises, bestehend aus Schauspielern, Malern und politischen Aktivisten, hat eine Form gefunden, die über diese Anfängerseminare für politisch korrekten Umgang mit sexuellen Minderheiten erhaben erscheint.

Außerdem wäre es falsch, Gibb lediglich als Frontmann einer schwulen Band zu sehen. Denn neben Zwischenmenschlichem, das immer noch weit weniger obszön erscheint, als wenn im Reality-Fernsehen zwei (heterosexuelle) Proleten unter der Decke "poppen", verhandelt Gibb auf seinem aktuellen Album Mississauga Goddam auch klassische Pop-Themen wie Adoleszenz und ihre Verunsicherungen, Agitation gegen Intoleranz, kleinstädtische Dummheit und ihre Hässlichkeit. In Anlehnung an Nina Simones Mississippi Goddam lassen The Hidden Cameras kein gutes Haar an Gibbs Heimatstadt Mississauga, die, wie er erzählt, ein Albtraum aus Shoppingmalls, Fastfood- und Vergnügungsketten sei.

Wall of Sounds

Umgesetzt werden diese Themen in feingliedrige, aber durch Überlagerungen richtige Walls of Sounds auftürmende Popsongs, die an geheime Meisterwerke der Beach Boys ebenso denken lassen wie an die in direkter Erbfolge dazu stehenden Polyphonic Spree und ihren vielköpfig-jubilierenden Pop.

Neben der Tatsache, dass Gibb sehr gelassen sehr schwul ist, erscheint spannender, dass die Hidden Cameras zu einer neuen Generation kanadischer Band gehören, die im Moment ziemlich umrühren. Man denke nur an Hawksley Workman (Lover/Fighter) oder die fantastischen Arcade Fire, die mit ihrem Debüt Funeral wohl das Album des Jahres abgeliefert und in den USA zusammen mit den Hidden Cameras getourt haben.

Die Reaktionen auf die meist mit Go-go-Dancern auftretenden Cameras waren euphorisch. Nun gastiert die Band erstmals in Österreich.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.12.2004)