Johannes "Gio" Hahn (46), VP-Stadtrat und seit Juni neben Co-Parteichef Alfred Finz geschäftsführender ÖVP-Obmann in Wien.

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Standard: Unabhängig von der Zahlenarithmetik: Wären die Wiener Grünen für die ÖVP ein potenzieller Partner und regierungsfähig?

Hahn: Wenn man sich inhaltlich trifft, man auf gleicher Augenhöhe und mit Respekt agiert. Die Wiener Grünen unterscheiden sich schon von den Oberösterreichern, da sie offensichtlich nur eine Option kennen: Die Koalition mit der SPÖ.

Standard: War das Bekenntnis von Maria Vassilakou auf Rot- Grün im Standard verfrüht?

Hahn: Eine frühzeitige Kapitulation ohne Kriegserklärung, die ich nicht verstehe. Die Grünen legen ja nicht einmal eine Latte, die haben sie vergraben und die Roten können geradeaus weitermarschieren.

Standard: Laut Umfragen rittert die ÖVP mit den Grünen in Wien um den zweiten Platz. Keine tolle Ausgangslage.

Hahn: Wir sind es schon gewohnt, um Platz Zwei zu kämpfen. Es ändern sich nur die Mitbewerber. Die Grünen sind ja historische Umfragensieger - schauen wir einmal.

Standard: Ist das Grüne bürgerliche Publikum nun mehr denn je Ihre Zielgruppe?

Hahn: Es wird immer übersehen, dass die größte Gruppe in Wien die Nichtwähler sind. Das gibt ein breites Spektrum, das wir ansprechen wollen.

Standard: Mit welchen Themen?

Hahn: Mit dem Grundsatz, dass wir für Individualität und Freiheit stehen. Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie leben sollen - das unterscheidet uns von den Grünen. Dazu kommen: Wirtschaft, Arbeitsplätze, Bildung, Wissenschaftsstandort und die Kinderbetreuung mit dem Thema des Deutschlernens. Und: Die Sicherheit, wo wir uns so etwas wie eine Stadtpolizei vorstellen.

Standard: Damit der Bund noch mehr einsparen kann?

Hahn: Nein, das kann er gar nicht aufgrund des öffentlichen Drucks. Es bleiben ja viele Zuständigkeiten auf der Strecke, weil die Beamten einfach nicht dazu kommen.

Standard: Bürgermeister Häupl hat angeboten, die Polizei zu übernehmen.

Hahn: Ja. Das hat aber eher nach einer Weinlaune geklungen. Ich glaube er selbst hat’s weniger ernst genommen, als der Herr Strache.

Standard: Sie stellen sich am Montag der Wahl zum Spitzenkandidaten.

Hahn: Ich werde mich darum bewerben. Das wird man schon den zuständigen Gremien überlassen. Grundsätzlich ist es an der Zeit.

Standard: Wie motiviert man sich, wenn Bürgermeister Häupl in Umfragen eine derart satte absolute Mehrheit hat?

Hahn: Es sind auch schon Hausherren gestorben - das meine ich selbstverständlich nur im übertragenen Sinn. Man muss unterscheiden zwischen dem Image des Bürgermeisters und der Wiener SPÖ.

Standard: Das heißt sie werden eher die SPÖ und nicht Häupl angreifen.

Hahn: Ich kritisiere den roten Filz, der ein jahrzehntelanges Amalgam von Rathaus und Partei ist. Ich kritisiere, dass Häupls Selbstvermarktung der Notwendigkeit von Reformen im Wege steht. Im Vergleich zum Bund sind wir ein Entwicklungsland.

Standard: Das heißt speed kills für Wien?

Hahn: Ich wäre schon froh, wenn Häupl endlich einen Gang einlegen würde. Wien steht im Leerlauf an der Kreuzung und die Ampel zeigt rot.

Standard: Ziel ist das Brechen der absoluten SP-Mehrheit?

Hahn: Zulegen was geht, über 20 Prozent kommen und zweitstärkste Partei werden. Die Absolute ist die schwierigste Nuss wegen des absolut ungerechten Wahlrechtes. Da kann man schon ab 44 Prozent die absolute Mandatsmehrheit haben.

Standard: Es heißt, die Gegenkandidaten von Häupl seien "Geheimwaffen", weil sie kaum jemand kennt.

Hahn: Das ist eine Herausforderung. Wir werden unter die Leute gehen, kommunizieren und wenn es angebracht ist, die Werbekampagne starten.

Standard: Die ÖVP kritisiert immer wieder die Wiener Wirtschaftslage. Wie konnte das passieren, wo es doch so eine starke Achse zwischen Häupl und Walter Nettig gab?

Hahn: Nettig hatte als Kammerpräsident die Aufgabe, das Bestehende zu vertreten. Wie man das macht, darüber könnte man auch noch diskutieren, aber das ist nicht mein Bier. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, Künftiges zu schaffen. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2004)