Nach den Misshandlungsvorwürfen im Bundesheer – Rekruten wurden als "Opfer" von Geiselnahmen ausgebildet – steht nun eine völlige Neuorganisation an. Umgegliedert werden alle Strukturen, die von den Vorwürfen betroffen sind.
Noch vor Jahresende soll die neue Struktur des Bundesheeres und des Verteidigungsministeriums festgelegt werden – nach nur zweieinhalb Jahren in der noch vom freiheitlichen Minister Herbert Scheibner angeordneten Gliederung werden Kasernen gesperrt, Truppenteile aufgelöst und schließlich auch die Kommanden und der Generalstab neu geordnet.
Schließungen stehen an
Betroffen dürften nicht zufällig jene Teile des Heeres sein, die in den letzten beiden Wochen wegen der für Grundwehrdiener angeblich nicht vorgesehenen Ausbildung zu Gefangennahme und Geiselhaft kritisiert worden sind:
Konsequenzen im Ministerium
Diese Änderung hätte auch Konsequenzen im Ministerium: Aus dem Führungsstab könnten Zuständigkeiten in das Kommando nach Salzburg wandern. Gleichzeitig soll der gesamte Generalstabsbereich von der Kontrollsektion durchleuchtet werden – auch wenn für alle Betroffenen eine Art Unschuldsvermutung gilt, ergeben sich Möglichkeiten zum Durchgreifen: So könnte es künftig zwei stellvertretende Generalstabschefs geben. Derzeit gibt es nur einen – den Generalstabsdirektor Generalleutnant Wolfgang Spinka, der letztlich auch für das Vorschriftenwesen im Bundesheer verantwortlich ist.
Betroffen wäre Generalmajor Segur-Cabanac und Brigadiere
Betroffen wäre von einer Änderung der Kompetenzen auch Generalmajor Christian Segur-Cabanac, der durch die Affäre derzeit unter massivem politischem Druck steht sowie die Brigadiere Johann Forster – er hat erst am 8. Oktober 2004 die "Durchführungsbestimmungen für die Ausbildung im Grundwehrdienst" um einen Passus betreffend Geiselnahme ergänzt – und der inzwischen suspendierte Helmut Meerkatz.
Wehrdienstzeitverkürzung
Die drei betroffenen Offiziere galten während der Beratungen der Bundesheer-Reformkommission als strikte Gegner der Wehrdienstzeitverkürzung auf sechs Monate – auch der Kommandant der Landstreitkräfte, Generalleutnant Edmund Entacher, soll in der Kommission davor gewarnt haben, dass eine Wehrdienstzeitverkürzung bei gleichzeitig laufendem Assistenzeinsatz eine vollständige Ausbildung unmöglich mache und sechs Monate Grundwehrdienst mehr Leerlauf und weniger feldverwendungsfähige Soldaten ergäbe.
Reformgegner unter Druck
Dies passt aber nicht zur politischen Vorgabe, dass die Verkürzung im Wahljahr 2006 (und nicht erst bei Ende des Grenzeinsatzes frühestens 2007) erfolgen soll. Weiterer aus Sicht der ÖVP angenehmer Aspekt: Wenn das Kommando in Salzburg zusätzliche Aufgaben bekommt, müsste eine Neuausschreibung erfolgen – so könnte Generalleutnant Entacher, einer der wenigen der SPÖ zugeordneten Spitzenoffiziere – abgelöst werden.
Reformbefürworter bekommen Auftrieb
Die Gegner der Wehrdienstzeitverkürzung stehen unter Rechtfertigungsdruck wegen der Geiselnahme-Ausbildungen – während die Reformbefürworter Auftrieb bekommen. Treibende Kraft ist der von Minister Günther Platter persönlich in die Reformkommission entsandte General Alfred Schätz, der 1990 bis 2003 Leiter des Heeresnachrichtenamtes (HNA), des Auslandsgeheimdienstes des Bundesheeres, war. Das HNA hat unter der Leitung von Schätz seinen ehemals gegen die CSSR gerichteten Horchposten in Blochwald als Dienststelle nach Freistadt verlegt – also in die Nähe jener Tilly-Kaserne, in der die ersten Misshandlungsvorwürfe aufgetaucht sind. (Conrad Seidl, DER STANDARD Printausgabe 11.12.2004)