Lange dachte man, dass die größten Tiefen unserer Ozeane nur einige wenige an den extremen Druck und die totale Dunkelheit angepasste Organismen ernähren können. Doch in den vergangenen Jahren, in denen hoch technisierte U-Boote den Tiefseeboden erkundeten, wurde diese Annahme widerlegt. Man entdeckte eine große Anzahl von ungewöhnlichen Lebewesen dort unten. Aber noch immer ist das Wissen um diesen Teil der Welt äußerst gering. Um das zu ändern, ist vergangenen Dienstag ein Forscherteam, geleitet vom US-Meeresbiologen Craig Cary von der Universität Delaware von Manzanillo in Mexiko aus zu der 21-tägigen Expedition "Extrem 2004: Expedition in die Tiefen der Ozeane" in See gestochen. Auch Österreich ist mit der Meeresbiologin Monika Bright von der Uni Wien bei diesem vom österreichischen Wissenschaftsfonds mitfinanzierten Abenteuer dabei. Sie werden auf dem Forschungsschiff "Atlantis" leben und mit dem U-Boot "Alvin" in die Tiefe tauchen.

Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche die Forscher zu gewinnen hoffen, wird im Rahmen dieser Expedition auch ein von Bright initiiertes europaweit einzigartiges Projekt für Kinder und Jugendliche angeboten: Alle österreichischen Schulen sind eingeladen zu einer virtuellen Reise mit dem U-Boot zu den heißen Quellen der Tiefsee. Ziel ist es, Schülern zwischen sechs und 16 Jahren Forschung im Bereich der Meeresbiologie und im Besonderen die Grundlagenforschung in Österreich zu diesem Thema näher zu bringen. Es werden Hintergrundinformationen, Bilder, Videos und vieles mehr auf einer englisch- und einer deutschsprachigen Website angeboten. Höhepunkt dieses unkonventionellen Wissensvermittlungsprojektes ist aber ein Livegespräch, das Schüler via Telefon-, Satelliten- und Funkverbindung kommenden Montagnachmittag mit den Wissenschaftern auf dem Schiff und im U-Boot führen können. Die Kontingente für dieses Telefonat sind aufgrund zahlreicher Anmeldungen zwar schon erschöpft, dafür wurde von der Uni Wien nun aber die Möglichkeit zu einem E-Mail-Gespräch mit den Forschern geschaffen: unter der Adresse a8305211@unet.univie.ac.at

Monika Bright forscht derzeit über Meiobenthos - Tiere und Einzeller in der Größenordnung zwischen 63 Mikrometern und einem Millimeter, die Teil der Hydrothermalquellenfauna in der Tiefsee sind. Der Ostpazifische Rücken wurde von Wissenschaftern als Modellsystem zum Studium des Mittelozeanischen Rückens mit schneller Spreizungsgeschwindigkeit ausgewählt, basierend auf Erkenntnissen vergangener intensiver und integrativer geologischer, geophysischer, biochemischer und biologischer Forschung. Heute weiß man, dass die dort lebenden Tiergemeinschaften Lebensraum und Zufluchtsort für Meiobenthos darstellen. Die Zusammensetzung dieser Meiobenthos-Lebensgemeinschaften, ihre Verbreitung und ihre ökologische Rolle hingegen sind weit gehend unbekannt. Ziel von Brigths Forschung ist es, diese Lebensgemeinschaften am Mittelozeanischen Rücken und in den umliegenden Tiefseesedimenten zu identifizieren und zu quantifizieren, indem Artendiversität, Dichte, Biomasse und Verbreitung entsprechend gut charakterisierter Habitate innerhalb dieses Ökosystems dokumentiert werden. Ihre Studie soll die Identifizierung aller Tier- und Foraminiferenarten beinhalten, die Beschreibung von neuen Arten und die Durchforstung aller Arten nach symbiotischen Beziehungen mit Mikroben. Dadurch wird es möglich sein, zugrunde liegende evolutionäre und historische Vorgänge zu rekonstruieren, Hypothesen zum Ursprung dieser Fauna zu entwickeln und die ökologische Bedeutung dieser Fauna zu beurteilen. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 12. 2004)