Je einfacher die Praxis, desto schwieriger die Theorie. Fast 400 Jahre mussten vergehen und viele Mathematiker kläglich scheitern. 1998 präsentierte der US-Mathematiker Thomas Hales dann der Öffentlichkeit einen Beweis für die Richtigkeit der Kepler'schen Vermutung. Normalerweise lässt solch ein Ereignis die Sektkorken knallen. Nicht so hier. Der Grund für die Zurückhaltung: Hales verwendete für seinen Beweis einen Computer.
Doch müssen die Beweise von unabhängiger Seite überprüft werden können. Gerade das kann zu einem Problem werden. So geschehen bei Hales' Beweis der Kepler'schen Vermutung. Zwölf Mathematiker versuchten vier Jahre lang, im Auftrag des renommierten Fachblattes Annals of Mathematics seine Richtigkeit zu zeigen. Dann gaben sie unverrichteter Dinge auf. Er sei zu 99 Prozent sicher, dass der Beweis richtig sei, eine komplette Zertifizierung sei seinem Team nicht gelungen, so Gabor Fejes-Tóth, Leiter der Bemühungen, in seinem Abschlussbericht. Eine Unsicherheit, mit der die Mathematik lernen muss, zu leben. Und die Puristen längst verfluchen lässt, dass Mathematiker selbst es waren, die den Computer erfunden haben.
Vorteile nicht missen
Mit der Hand wäre das zu aufwändig. Auch der österreichische Mathematiker Bruno Buchberger will seinen Kollegen den Arbeitsalltag erleichtern. Sein Lazy-Thinking-Verfahren findet zu einem mathemati- schen Problem automatisch den Lösungsalgorithmus. Es liefert in Minuten, wofür der Mathematiker Jahre brauchen kann (siehe unten). Die Gefahr, dass sein Verfahren einen Beitrag dazu leistet, Mathematiker um ihr täglich Brot zu bringen, sieht Buchberger nicht. "Es wird immer Problemstellungen geben, für die das Lazy-Thinking-Verfahren den Algorithmus nicht liefert und neue Methoden erdacht werden müssen".
Und dafür braucht es - zumindest noch eine Zeit lang - den Menschen. Thomas Hales liefert einen kleinen Vorgeschmack darauf, welche Dimensionen der reinen Mathematik der Computer als Nächstes erschließen könnte: Er hat - als Reaktion auf das Unvermögen seinen Beweis der Kepler'schen Vermutung vollständig zu überprüfen - ein Projekt mit dem Namen "Flyspeck" ins Leben gerufen. Dessen ehrgeiziges Ziel ist nichts weniger als ein rein formaler Beweis der Vermutung. Bei Hales' Beweis aus dem Jahre 1998 war der Computer noch ein Hilfsmittel. Nun wird er zum Hauptakteur. Der formale Beweis soll aufbauend auf dem 1998er-Original die menschliche Intuition und damit jegliche Unsicherheit eliminieren. Jeder auch noch so kleine Beweisschritt wird mit logischer Strenge durchgearbeitet. Eine Strenge, die kein von einem menschlichen Mathematiker erdachter Beweis liefern kann.