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Juschtschenkos Diagnose wird unter internationalem Interesse im Wiener Rudolfinerhaus bekannt gegeben. Immer mehr prominente Patienten aus dem Ausland lassen sich in Österreich behandeln. Neben Privatspitälern vor allem an den Unikliniken Wien, Graz und Innsbruck.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader
Der ukrainische Oppositionsführer Viktor Juschtschenko, dem im der Wiener Privatklinik Rudolfinerhaus am Wochenende eine akute Dioxinvergiftung diagnostiziert wurde, ist der jüngste Fall einer seit Jahrzehnten immer länger werdenden Reihe von prominenten ausländischen Patienten, die auf österreichische Ärzte vertrauen. Und doch sind diese vorwiegend in der politischen Öffentlichkeit stehenden Kranken nur ein winziger Teil all jener ausländischer Patienten, denen alljährlich österreichische Spitzenmedizin zugute kommt - unabhängig vom sozialen Stand.

Laut Statistiken des Gesundheitsministeriums wurden in heimischen Spitälern im vergangenen Jahr 37.420 Menschen aus dem Ausland medizinisch behandelt. Das Gros von ihnen während der Wintermonate - Knochenbrüche nach Pistenunfällen. So stehen etwa im Tiroler Tourismusort Kitzbühel während der Skisaison drei unfallchirurgische Operationsteams rund um die Uhr beinahe im Dauereinsatz, im Sommer hat die Chirurgie nahezu Urlaub.

Es ist aber nicht diese Routine, welche die österreichische Medizin seit den 1970er Jahren international, zuerst besonders für arabische Staaten, später dann auch für osteuropäische, wieder interessant machte und macht - nachdem der weltweit unübertroffene Ruf der Wiener Medizinischen Schule nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 durch Vertreibung und Ermordung ihrer primär jüdischen Repräsentanten ein jähes Ende gefunden hatte. Entscheidende Faktoren für die ausländische Beliebtheit inländischer Medizin waren und sind die österreichische Außenpolitik, hervorragende heimische Experten zur richtigen Zeit, die Globalisierung der Medizin und damit der hohe Versorgungsstandard in Österreich und nicht zuletzt humanitäre Hilfe österreichischer Ärzte und Krankenschwestern: gemeinsam mit Hilfsorganisationen.

Bruno Kreiskys Nahostpolitik hat nicht nur die ersten prominenten arabischen Patienten nach Österreich gebracht, sie hat auch in der Ärzteausbildung der jeweiligen Länder eine für Österreich nachhaltige Wirkung hinterlassen: Besonders in Syrien, Ägypten, Jordanien und im Iran ist es heute noch erstrebenswert, wenigsten einen Teil des Medizinstudiums an einer österreichischen Uni zu absolvieren - nicht selten überweisen in Österreich ausgebildete ausländische Ärzte Patienten an österreichische Spitäler. Im Wintersemester 2003 lag der Anteil ausländischer Studierender an der Medizinuni Wien bei 15,7, Graz bei acht und Innsbruck bei 23,5 Prozent. Neben österreichischen Nachbarländern stammt ein beachtlicher Teil dieser aus den genannten und osteuropäischen Staaten.

Über Kreiskys diplomatische Beziehungen kamen alsbald die ersten prominenten Patienten nach Wien - und wurden vom vor vier Jahren verstorbenen Internisten Karl Fellinger in Behandlung genommen. Fellinger, der sich mit rund 300 wissenschaftlichen Arbeiten einen internationalen Ruf erschrieben hat, hatte damals gerade eine neue interne Medizin in Wien aufgebaut. Zu seinen Patienten gehörten neben vielen anderen der saudiarabische Staatsgründer Abdelaziz, sein Sohn König Ibn Saud, Schah Mohammed Reza Pahlevi, der afghanische König Zahir Schah, König Hassan von Marokko und der pakistanische Präsident Zia ul-Haq. Damit war - und blieb - der Ruf der österreichischen Medizin zunächst in Nahost hervorragend.

Ähnliches sollte später über die Mittelosteuropapolitik gelingen. Über sie hat auch das enorme Engagement österreichsicher Hilfsorganisationen - nicht selten in Kooperation mit heimischen Spitälern - die Qualität der österreichischen Medizin im Osten bekannt gemacht. Als eines von vielen Beispielen sei hier nur eine Kinderkrebsklinik in Belarus genannt: Finanzierung aus Spendengeldern über Hilfsorganisationen und über die österreichische Regierung, die Ausbildung der weißrussischen Ärzte erfolgt im St. Anna Kinderspital in Wien.

Und nicht zu vergessen: Auch wenn die USA zigmal so viel Geld in medizinische Forschung stecken - durch die Globalisierung auch in der Medizin sind die Ergebnisse international zugänglich. Damit erfolgt auch in Österreich die Behandlung nach weltweit höchsten Standards. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.12.2004)