Laut Statistiken des Gesundheitsministeriums wurden in heimischen Spitälern im vergangenen Jahr 37.420 Menschen aus dem Ausland medizinisch behandelt. Das Gros von ihnen während der Wintermonate - Knochenbrüche nach Pistenunfällen. So stehen etwa im Tiroler Tourismusort Kitzbühel während der Skisaison drei unfallchirurgische Operationsteams rund um die Uhr beinahe im Dauereinsatz, im Sommer hat die Chirurgie nahezu Urlaub.
Es ist aber nicht diese Routine, welche die österreichische Medizin seit den 1970er Jahren international, zuerst besonders für arabische Staaten, später dann auch für osteuropäische, wieder interessant machte und macht - nachdem der weltweit unübertroffene Ruf der Wiener Medizinischen Schule nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 durch Vertreibung und Ermordung ihrer primär jüdischen Repräsentanten ein jähes Ende gefunden hatte. Entscheidende Faktoren für die ausländische Beliebtheit inländischer Medizin waren und sind die österreichische Außenpolitik, hervorragende heimische Experten zur richtigen Zeit, die Globalisierung der Medizin und damit der hohe Versorgungsstandard in Österreich und nicht zuletzt humanitäre Hilfe österreichischer Ärzte und Krankenschwestern: gemeinsam mit Hilfsorganisationen.
Bruno Kreiskys Nahostpolitik hat nicht nur die ersten prominenten arabischen Patienten nach Österreich gebracht, sie hat auch in der Ärzteausbildung der jeweiligen Länder eine für Österreich nachhaltige Wirkung hinterlassen: Besonders in Syrien, Ägypten, Jordanien und im Iran ist es heute noch erstrebenswert, wenigsten einen Teil des Medizinstudiums an einer österreichischen Uni zu absolvieren - nicht selten überweisen in Österreich ausgebildete ausländische Ärzte Patienten an österreichische Spitäler. Im Wintersemester 2003 lag der Anteil ausländischer Studierender an der Medizinuni Wien bei 15,7, Graz bei acht und Innsbruck bei 23,5 Prozent. Neben österreichischen Nachbarländern stammt ein beachtlicher Teil dieser aus den genannten und osteuropäischen Staaten.
Über Kreiskys diplomatische Beziehungen kamen alsbald die ersten prominenten Patienten nach Wien - und wurden vom vor vier Jahren verstorbenen Internisten Karl Fellinger in Behandlung genommen. Fellinger, der sich mit rund 300 wissenschaftlichen Arbeiten einen internationalen Ruf erschrieben hat, hatte damals gerade eine neue interne Medizin in Wien aufgebaut. Zu seinen Patienten gehörten neben vielen anderen der saudiarabische Staatsgründer Abdelaziz, sein Sohn König Ibn Saud, Schah Mohammed Reza Pahlevi, der afghanische König Zahir Schah, König Hassan von Marokko und der pakistanische Präsident Zia ul-Haq. Damit war - und blieb - der Ruf der österreichischen Medizin zunächst in Nahost hervorragend.
Ähnliches sollte später über die Mittelosteuropapolitik gelingen. Über sie hat auch das enorme Engagement österreichsicher Hilfsorganisationen - nicht selten in Kooperation mit heimischen Spitälern - die Qualität der österreichischen Medizin im Osten bekannt gemacht. Als eines von vielen Beispielen sei hier nur eine Kinderkrebsklinik in Belarus genannt: Finanzierung aus Spendengeldern über Hilfsorganisationen und über die österreichische Regierung, die Ausbildung der weißrussischen Ärzte erfolgt im St. Anna Kinderspital in Wien.