Foto: Design Jhengen
Schmucktrend Numero eins spielt sich weniger in den Gold- und Silberschmieden der Schmuckkünstler ab, als vielmehr in den Schmuckgeschäften selbst: Bis vor nicht allzu langer Zeit kamen zumal die Männer in die Juwelierläden, um dort für ihre Ehegattinnen und Freundinnen Schmuck zu kaufen. Mittlerweile ist in vielen Fällen die Frau selbst die Kundin, und die sucht sich aus, was ihr gefällt. Man kann das bedauern oder wertschätzen, je nach politischer und persönlicher Gesinnungslage - der Schmuck, den sich Frauen leisten wollen, schaut jedenfalls meist etwas anders aus als das, was in samtverbrämten Schatüllchen und Döschen zu allen möglichen Gelegenheiten von Familienoberhäuptern und Liebhabern so überreicht wurde.

Die weiteren Trends ...

Trend Numero zwei
hängt damit unmittelbar zusammen. Die strengen geometrischen Formen, die den avantgardistischeren, quasi den emanzipierten, kühlen Schmuck der vergangenen Jahre prägten, verschwinden zusehends aus den Vitrinen und machen einem neuen, opulenteren, verspielteren Design Platz. Alexander Skrein, der eines der subtilsten Schmuckkästchen der Wiener Innenstadt unterhält, bestätigt und analysiert: "Zumindest in Mitteleuropa ist die Frau aus der kämpferischen Phase heraus, sie hat in weiten Bereichen ihre gesellschaftliche Position erreicht. Das bedeutet auch, dass sie nicht mehr mit maskulinen, geometrischen Formen auf ihre Stärke verweisen muss." Was jetzt gerade beginnt angesagt zu sein, ist eine neue Eleganz und Weiblichkeit, die jahrelang in der gehobeneren Schmuckzunft kaum zu finden war.

Da dürfen wieder lange Ohrgehänge baumeln, verspielte Ketten in beachtlichen Längen und Formen klunkern und auffällige Broschen glitzern. Die Stücke werden feiner, ziselierter, es wird gesteigerter Wert auf Details und Proportion gelegt, die Formen werden fließender, organischer, komplizierter.

Trend Numero drei
heißt: Edle Steine aller Art stehen nach wie vor hoch im Kurs. Veronika Schwarzinger von der Wiener Schmuckgalerie V & V: "Den Hang zum Bunten gibt es bereits seit einigen Jahren, die Steine werden immer größer und sind zum Teil wärmebehandelt, um noch farbintensiver zu sein." Gewisse Steine, die jahrzehntelang fast so etwas wie Ladenhüter waren - Saphire etwa oder Rubine - sind beliebt wie kaum je zuvor, und zwar sowohl als schön verarbeitete Einzelstücke als auch als facettenreiche und kompliziert gewundene, geknüpfte und gestrickte Halsketten.

Trend Numero vier:
Auffällig ist auch die Renaissance der nur vermeintlich altmodischen klassischen Koralle, die sich allerorten abzeichnet. Sowohl die traditionelle Korallenkette als auch die Kombinationen des knallroten Unterwasserproduktes mit Perlen und bunten Steinen sind bei der Kundschaft plötzlich wieder sehr begehrt. Einzelne, besonders auffällige Korallenstücke werden wie Solitäre verarbeitet und ragen da etwa neckisch als Blickfang aus aufwändig ziselierten Broschen. Apropos:

Trend Numero fünf
bringt endlich wieder dieses allzu lange missachtete Accessoire unserer Großmütter in die Geschäfte und auf die Montur - die Brosche in neuer Form, sei es neckisch, modisch oder betont kostbar, ist in vielen Varianten im Kommen, von billig bis ganz teuer. Die klassische Perle-Diamant-Kombination lebt hier neben der frech-zeitgeistigen Silikonbrosche, die von Zeit zu Zeit batteriegetrieben ihre Farbe wechselt.

Trend Numero sechs
gehört ausnahmsweise ausschließlich den Männern und leitet sich wiederum von den Großvätern ab: Manschettenknöpfe erleben eine jahrzehntelang nicht da gewesene Hochkonjunktur.

Trend Numero sieben
lässt sich vor allem in den avantgardistischen Schmuckgalerien wie der Galerie Slavik ablesen: An Material - so sorgfältig und gekonnt verarbeitet - ist alles erlaubt, vom klassischen Edelmetall bis zu Kunststoff und sogar Papier. Obwohl etwa der gewöhnlich naturgemäß preiswertere Plexiglasschmuck schon seit geraumer Zeit ein Schmuck-Renner ist, wird sich dieser Sektor, sagt Skrein, aller Wahrscheinlichkeit nach auch in die oberen Gefilde der Juwelierskunst bewegen: "Jetzt geht's ans Finish. Ich warte darauf, dass die Kreativwerkstätten den Trend aufnehmen und dass Goldschmiede das Material zehntelmillimetergenau verarbeiten."

Auch Stoff und Textil haben in Kombination mit teuersten Materialien längst Einzug in die Ateliers der Schmuckkünstler gehalten. Beispielsweise ist die Verarbeitung von textilen Bändern und Brillanten zu dem, was man früher unschön "Kropfband" nannte, ein derzeit hochbegehrtes Schmuckteil.

Trend Numero acht
betrifft zu guter Letzt die Preise: Die schönen, kostbaren Juwelen, sagt Skrein, dürfen getrost einiges kosten. Wer sich allerdings die Mehrfachkaräter und Colliers nicht leisten mag und kann, greift zu billigem, gleichwohl originellem und auffälligem Schmuck. Skrein: "Der typische mittlere Schmuck ist tot, die Branche des industriell gefertigten Schmucks hat Einbrüche von bis zu 50, 60 Prozent. Wie in allen Bereichen zeichnet sich eine deutliche Trennung von oben und unten ab."

Fazit:

In der schönen Welt des Schmucks wird jeder und jede fündig. Erlaubt ist, was gefällt, und zwar sowohl einem selbst als auch dem Geldbörsel. Was zählt, ist die Individualität. (DER STANDARD, rondo/16/12/2004)