Wien - Die OSZE-Sonderbeauftragte für Menschenhandel Helga Konrad sieht bei europäischen Regierungen zu wenig Problembewusstsein für das Phänomen Menschenhandel. "Etliche Länder tun etwas gegen Menschenhandel, aber sind sich des Problems nicht bewusst", sagte Konrad am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien. Sie wies darauf hin, dass viele Kinder Opfer von Menschenhandel werden, der für die kriminellen Organisationen sehr einträglich sei.

Verantwortung der nationalen Regierungen

Für Konrad, seit Mai dieses Jahres Sonderbeauftrage für Menschenhandel bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, liegt die Verantwortung für die Bekämpfung von Menschenhandel in erster Linie bei den nationalen Regierungen. "Die Regierungen müssen Strukturen aufbauen, die weitläufige Kooperationen möglich machen." Notwendig sei auch die Einbindung der Zivilgesellschaft, jedoch dürfe das Problem nicht gänzlich auf Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) abgewälzt werden.

Abschiebung keine Lösung

Die Voraussetzung für das Funktionieren der internationalen Zusammenarbeit sei, dass es in den Ländern wirksame Gesetze gegen Menschenhandel gebe, meinte Konrad. Die Abschiebung von Opfern würde das Problem nicht lösen, da 50 Prozent der abgeschobenen Opfer wieder zurückkommen würden. Das Phänomen sei nicht gleichzusetzen mit Menschenschmuggel oder illegaler Immigration. "Es ist eine Kette, die irgendwo beginnt. Den 'typischen Menschenhändler' gibt es selten."

"Ware Mensch"

Menschenhandel sei ein Geschäft, das unglaublich viel Geld bringe und auch den Drogenhandel übertreffen könnte, "weil die 'Ware Mensch' mehrmals verwendbar ist", so Konrad weiter. Älteren Schätzungen zufolge seien weltweit 800.000 bis zwei Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel, davon bis zu eine Million Kinder. Opfer kämen auch aus der "alten EU" - hier gebe es nach Schätzungen etwa 3.000 kriminelle Organisationen, die über die Grenzen hinaus agieren würden. Basierend auf den Aktionen der Regierungen müsse man daher "über die Grenzen hin Strukturen aufbauen."

"Nexus-Institut" geplant

Als konkrete Vorhaben nannte die OSZE-Sonderbeauftragte neben dem Ausbau internationaler Netzwerke von Regierungen und NGOs auch die Einrichtung eines "Nexus-Instituts" in Wien, um die Forschungsarbeit im Bereich des Menschenhandels zu verbessern. Geplant sei, dass bestehende Einrichtungen, darunter etwa das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, in dem neuen Institut zusammenarbeiten. Auch "nationale Berichterstatter", die über die Situation in ihrem Land berichten, werden laut Konrad ins Auge gefasst.

Zur Person

Helga Konrad war 1995 bis 1997 Frauenministerin im Kabinett von Bundeskanzler Franz Vranitzky (S). Seit Juni 2000 ist sie im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa als Koordinatorin für Maßnahmen gegen Menschenhandel und Vorsitzende der "Anti Trafficking Task Force" der OSZE tätig, im Mai 2004 wurde sie zur Sonderbeauftragten für Menschenhandel. (APA)