Mutter, Tochter und Enkelin erzählen ihre Lebensgeschichten.
Buchcover
Er sei schon vor Langem gegen den US-Krieg in Vietnam und gegen den Putsch in Chile auf die Straße gegangen, schreibt der oberösterreichische Schriftsteller Ludwig Laher im Nachwort des von ihm redigierten Bandes, in welchem die Sinti-Frauen Rosa Winter, Gitta und Nicole Martl ihre Lebensgeschichten erzählen. Und er habe ein Buch über Grenada veröffentlicht, "wo ich mich eine Zeit lang aufgehalten hatte und aus nächster Nähe erfuhr, wie man einem unbotmäßigen Volk übel mitspielen konnte". Von den "aktuellen Kämpfen meiner engsten Landsleute" - um Staatsbürgerschaft und Opferrente zum Beispiel - hatte er damals noch "wenig Schimmer".

Unbekannte

So wie Laher geht es wohl den meisten: Wir wissen einiges über die verschiedensten Konflikte in fernen Ländern; Leben, Kultur und Geschichte der Roma und Sinti im 20. Jahrhundert sind so gut wie unbekannt. Dabei gibt es in Europa mehr Roma und Sinti als DänInnen, IrInnen oder EstInnen.

Der vorliegende Band, in dem drei Sintiza - Mutter, Tochter, Enkelin - erzählen, wie es sich im Umfeld von Behördenwillkür, Internierung, Sterilisation und Massenmord leben und überleben lässt, ist ein wichtiger regionaler Beitrag aus Oberösterreich, diese Lücke zu schließen.

Naziterror

Natürlich nimmt der Naziterror und seine Auswirkungen bis heute dabei breiten Raum ein. Aber die drei Sintiza kommen weit gehend ohne erhobenen Zeigefinger und Anklage aus, sondern erzählen auch Alltägliches - eben einfach, wie es sich so lebt, als Frau in einer vom Patriarchat besonders stark geprägten Gesellschaft und als Vertreterin eines bis heute unbekannten, trotz Volksgruppenanerkennung 1993 bestenfalls geduldeten Volkes. (Thomas Neuhold/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 17.12.2004)