Wien - In der Regierung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) versammle sich mittlerweile "das letzte Aufgebot", meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos Freitag Abend nach der Kür der niederösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop zur neuen Innenministerin. Einerseits sei das Alter Prokops - die Politikerin ist 63 Jahre alt - "kein Signal für eine Erneuerung", so Darabos. Andererseits übernehme mit Prokop eine Politikerin das Innenressort, die keinerlei Erfahrung für diesen hochsensiblen Bereich mitbringe, so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer in einer Aussendung.

Für Darabos ist dies "ein deutliches Zeichen dafür, wie dünn in Wirklichkeit die Personaldecke in der ÖVP ist", deren Regierungsteam "eine Mischung aus Auslaufmodellen und angeschlagenen Ministern" sei. Einziges Kriterium für diese Personalentscheidung dürfte gewesen sein, dass Prokop aus der ÖVP Niederösterreich komme. Es sei daher offensichtlich, dass sich die Bundes-ÖVP "in Geiselhaft der NÖ VP" befinde.

Lob von Ex-Innenminister Schlögl

Ex-SP-Innenminister Karl Schlögl streute der neuen Innenministerin Liese Prokop Freitag Abend Rosen, sprach aber gleichzeitig auch von einer "sehr überraschenden Wahl". Prokop sei eine "erfahrene und kluge Politikerin, die ich persönlich sehr schätze", so Schlögl.

Er glaube, dass es nun wichtig sei, "Ruhe in dieses Ministerium zu bringen und sehr vorsichtig das zerbrochene Porzellan wieder zu kitten", sagte der heutige Bürgermeister von Purkersdorf. Und Liese Prokop habe seiner Einschätzung nach auf Grund ihrer bisherigen politischen Erfahrung und auf Grund ihrer menschlichen Qualitäten "ohne Zweifel eine Chance, dieses Ministerium wieder zu einer schlagkräftigen Organisation zu machen".

Für Häupl eine Frau mit Handschlagqualität

Lobende Worte fand am Samstag Wiens Bürgermeister Michael Häupl (S) über die designierte Innenministerin Liese Prokop (V). Er habe ihre Arbeit in Niederösterreich über lange Zeit hinweg beobachtet. Dabei habe er sie als Frau mit "hoher Sensibilität" kennen gelernt, die "zuhören kann" und Handschlagqualität besitze. Zum Einstand offerierte Häupl einen so genannten Sicherheitspakt. Dieser solle auf dem Prinzip basieren: Mehr Sicherheitsbeamte vom Bund, dafür übernimmt Wien mehr Verwaltungsaufgaben.

Häupl zuversichtlich: Keine Hip-Hop-Sprünge mehr

In jedem Falle sei er zuversichtlich, dass man von Hip-Hop-Sprüngen und verfassungswidrigen Gesetzen der Vergangenheit wegkomme und es Prokop gelingen wird, gegen Asylmissbrauch vorzugehen, ohne sich dieser Methoden bedienen zu müssen, streute Häupl Prokop Rosen.

Dass er mit seinen Aussagen die SPÖ-Parteilinie verlässt, ficht Häupl nicht an. Sein Hauptberuf sei Bürgermeister von Wien, nicht Parteifunktionär der SPÖ. "Ich distanziere mich von niemanden. Ich sage, was ich denke", betonte Häupl.

Für Grüne "ein völlig unbeschriebenes Blatt"

Die künftige Innenministerin Liese Prokop (V) sei aus bundespolitischer Sicht "ein völlig unbeschriebenes Blatt", meinte Freitag Abend Grünen-Chef Alexander Van der Bellen gegenüber der APA. Sie sei bekannt als langjährige niederösterreichische Landesrätin, "aber was speziell sie für das Innenressort qualifiziert, ist mir noch nicht bekannt".

Viel werde nun davon abhängen, was Prokop in der Sondersitzung kommende Woche dem Parlament an Ideen für die die verbleibende Amtszeit von etwa eineinhalb Jahren präsentiere. Besonders interessiert ist der Grünen-Chef an Prokops Position zum Asylgesetz sowie ihren Vorstellungen zur Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie. (APA/Red)