Franz Schreker

Foto: JMW
Wien - Der ferne Klang, den er als Erstes hörte, muss das Rauschen des Meeres gewesen sein. Im Fürstentum Monaco wurde Franz August Julius Schrecker geboren, in den späten Märztagen des Jahres 1878. Die Karriere seines Vaters Ignaz Schrecker befand sich zu dieser Zeit schon im Niedergang: Der aus Ungarn stammende Fotograf, der in seiner Hochzeit zahlreiche europäische Königshäuser zu seinen Kunden zählte, starb 1888 in Oberösterreich, wohin er sieben Jahre zuvor übersiedelt war.

Er hinterließ seiner um 21 Jahre jüngeren Witwe, deretwegen er vom israelitischen zum evangelisch-reformierten Glauben konvertiert war, vier Kinder und Schulden. Eleonore Schrecker übersiedelte nach Wien: "Not und Hunger immerzu. Meine Schwester stirbt", so Schreker (er ließ die Schreibweise seines Familiennamens später ändern) hierzu in seinen Erinnerungen.

Not im Anfang, Schikanen am Ende: 1932 musste Franz Schreker unter politischem Druck die Leitung der renommierten Berliner Hochschule für Musik - er war ihr zwölf Jahre lang vorgestanden - niederlegen, im Mai des nächsten Jahres dann seine Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste aufgeben. Schrekers Werke wurden nicht mehr aufgeführt. Er starb im März 1934 an den Folgen eines Schlaganfalls in Berlin.

Dazwischen standen jedoch Jahre, ja Jahrzehnte des Erfolgs, wie sie kaum einem anderen Komponisten zu Lebzeiten vergönnt gewesen waren. "Sie haben hübsch lang gebraucht, um hinaufzukommen - beinah so lang wie ich", gratulierte Arnold Schönberg Schreker im September 1912, wenige Wochen nach der erfolgreichen Uraufführung von dessen populärstem Werk, der Oper Der ferne Klang, in Frankfurt. Und Schreker sollte oben bleiben: In der Spielzeit 1920/21 brachten es seine Opern auf 150 Aufführungen, in den Jahren von 1918 bis 1924 gab es 70 Neuinszenierungen Schreker'schen Musiktheaters.

In seinen frühen Jahren als "Neutöner" klassifiziert, später als "Romantiker" verlacht, stand Schreker in seinem Schaffen zwischen Romantik und Moderne, wie auch der Lebensbogen des tüchtigen Tonhandwerkers zwischen Katholizismus und Judentum, zwischen Reichtum und Armut aufgespannt war. Dieses Grenzgängertum zeigt die von Michael Haas und Christopher Bailey kuratierte Franz-Schreker-Ausstellung Grenzgänge/Grenzklänge im Jüdischen Museum Wien auf: eine Schreker-Erfahrung der positiven Art, verglichen mit der eher erschreckenden Irrelohe-Präsentation der Volksoper Wien in diesem Herbst.

Im zweiten Stock des Palais Eskeles kann man noch bis Ende April durch Leben und Werk des fast vergessenen Opernkomponisten flanieren, in den quadratischen Präsentationsboxen Korrespondenzen, Partituren und Fotografien zu Schrekers Vita begutachten und Stimmen von Freunden und Kritikern (Hanslick-Nachfolger Julius Korngold etwa) zu Schrekers Schaffen nachlesen. Selbstverständlich werden auch alle musiktheatralischen Hauptwerke kurz vorgestellt; per Audio-Guide sind diese auch - zumindest in Ausschnitten - akustisch erfahrbar. Ein lohnender Blick in die so überreiche Vergangenheit dieser Stadt, in ein fesselndes Leben.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.12.2004)