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"Sex and the City" ist vorbei, die Zukunft gehört ihren lesbischen Herausforderinnen aus "The L-Word". Oder warum Sex nicht immer gleich Sex ist.
Foto: APA/AP/Snyder
Das Ende war einigermaßen bedrückend: Genauso wie ein durchschnittlicher Hollywood-Schinken endeten auch die sechs Jahre mit "Sex and the City" in einer Orgie aus Familie, Freude, Eierkuchen. Wer jetzt noch kein Kind hatte, adoptierte sich noch schnell eines, wer jetzt noch nicht treu war, der wurde es spätestens jetzt. Wer hätte sich diesen restaurativen Backlash nach Jahren der sexuellen Libertinage erwartet? Oder wie Carrie an dieser Stelle wohl in ihren Laptop tippsen würde: Ist das die Zukunft, die uns allen blüht?

Alles als irgendwie langweilig abqualifiziert

Unser Sex ist unter Druck geraten. Nicht durch irgendwelche Sittenapostel, weit gefehlt, so unsexy wie der moralische Zeigefinger ist heute höchstens noch eine in Lack und Leder gekleidete Domina. Es sind die aufgeklärten Dreißigjährigen, die alles gesehen und alles probiert und alles als irgendwie langweilig abqualifiziert haben. Sehen sie die Nackedeifotos eines Terry Richardson oder Juergen Teller, befällt sie ein unabwendbares Gähnen. Geraten sie in eine Sex-und-Moral-Debatte, können sie nur milde lächeln.

Unangenehme Nebengeräusche

Die Krise unseres Sex' ist eine Krise der zeugungsfähigen Jungspunde. Von jenen, die immer so anti-bürgerlich taten und sich angesichts schlechter Wirtschaftsdaten und einiger grauer Haare an den Schläfen jetzt selbst ins Boot setzen. Das erzeugt unangenehme Nebengeräusche. Und liefert jenen einen wunderbaren Rückhalt, die schon immer die Missionarsstellung als alleinigen Glücklichmacher hielten.

"Sex and the City" um eine halbe Drehung weiter geschraubt

Dabei war 2004 in sexueller Hinsicht gar nicht mal so übel: Johnny Depp wurde von Jude Law als der Mann mit dem größten Sex-Appeal abgelöst, Frauen verzichteten auf Cowboyhüte, bei Männern setzte sich die Intimrasur durch. Und die schönste Neuigkeit, die kam ausnahmsweise einmal nicht aus New York, sondern von der Westküste: Die unglaublich schicken Damen aus der "The L-Word"-Serie (hier zu Lande derzeit nur übers Internet beziehbar) als die legitimen, lesbischen Nachfolgerinnen von Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte schrauben nämlich "Sex and the City" um eine halbe Drehung weiter.

Modell für Heterowelt

In der Ostküsten-Serie war die Ausweitung der Sexzone irgendwann an einen Punkt geraten, an dem so ziemlich alles durchdekliniert war. Der Rest war Lunch-und Dinner-Gequatsche. "The L-Word" gibt sich realistischer: Die Klamotten müssen nicht immer gewechselt werden, die Beziehungen sind etwas langlebiger, die Tränen echter und Pam Grier und Jennifer Beals so großartig wie eh und je. Lesbischer Lifestyle, wie man ihn wirklich noch nicht kennt. Und wie er durchaus auch als Modell für die Heterowelt taugen könnte. Für jenen Teil zumindest, der noch nicht vollends verbürgerlicht ist. (Stephan Hilpold/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 22.12. 2004)