Brüssel - Das Jahr 2005 dürfte in der EU im Zeichen der Verfassung, der langfristigen Finanzierung der Union, der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei stehen. Die neue EU-Kommission mit Benita Ferrero-Waldner als Vertreterin Österreichs wird versuchen, Fuß zu fassen. Den Vorsitz im EU-Ministerrat führen erst Luxemburg, dann das Vereinigte Königreich. Österreichs Regierung bereitet sich seinen EU-Vorsitz des ersten Halbjahres 2006 vor. Schon zum EU-Gipfel im März legt die EU-Kommission eine Zwischenbewertung für den so genannten "Lissabon Prozess" vor, also das im Jahr 2000 von der Union formulierte Ziel, bis 2010 die wettbewerbsfähigste Wirtschaftszone der Welt zu werden. Zwar räumen inzwischen alle Experten ein, dass Europa im Vergleich zu den USA eher zurück fällt und bis 2010 keinesfalls Nummer eins sein kann, doch will man vorerst kein neues Datum nennen, um nicht den wenigen Schwung zu verlieren, der noch vorhanden ist. Es mangelt nicht an gemeinsamen Zielen, dafür am Willen der Mitgliedsländer, schmerzliche Strukturreformen, etwa am Arbeitsmarkt, durchzusetzen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Budgetposten Im Juni soll dann laut Fahrplan die politische Entscheidung über den Finanzrahmen für die EU-Budgets der Jahre 2007 bis 2013 fallen. Die Union steckt sich regelmäßig auf mehrere Jahre Obergrenzen für die einzelnen Budgetposten Landwirtschaft, Strukturmittel für benachteiligte Gebiete, Außenpolitik, Forschung, Verwaltung usw. Diesmal ist der Verteilungskampf besonders hart, denn einige Nettozahlerländer, darunter Österreich, wollen das EU-Budget mit einem Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) der 25 Mitgliedsländer deckeln. Viele Nettoempfänger, darunter die meisten der zehn neuen Mitgliedsländer, weisen hingegen auf den gestiegenen Finanzbedarf hin, nicht nur wegen der Erweiterung um zehn arme Staaten, sondern auch, weil die Union immer mehr gemeinsame Ziele formuliert, etwa für Forschung oder Infrastruktur. Bis jetzt gilt eine maximale Obergrenze der EU-Finanzen von 1,24 Prozent des BNE, die tatsächlichen Ausgaben der Union lagen aber in den vergangenen Jahren bei etwa einem Prozent. Volksbefragung

Ein großes Thema wird im Jahr 2005 die Ratifizierung der EU-Verfassung. Zehn Staaten haben Referenden dazu angekündigt, darunter Frankreich für den Mai. Im besonders EU- und verfassungskritischen Vereinigten Königreich ist die Volksbefragung zwar erst für Anfang 2006 geplant, aber auch so droht bereits heuer das "Nein" eines Landes und damit einiges Kopfzerbrechen über die weitere Entwicklung der Union. Die Verfassung gilt als wichtiger Schritt in der weiteren Entwicklung der Union und als Basis für ein reibungsloses Funktionieren mit 25 oder mehr Mitgliedsländern.

Die Aufnahme neuer Staaten in die Union wird ebenfalls das ganze Jahr die politische Diskussion in der Union begleiten. Im Frühjahr soll der Startschuss mit Kroatien fallen, falls das Land voll und ganz mit dem internationalen Strafgerichtshof kooperiert. Und am 3. Oktober ist die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei vorgesehen. In einigen Ländern, darunter Österreich und Deutschland, gehen die Wogen deshalb bereits hoch, in anderen hat die öffentliche Diskussion noch nicht angefangen. Die große Frage, ob und wo die Union sich ihre eigenen Grenzen ziehen soll, bleibt aber aktuell. (APA)