Der Großteil aller Erdbeben, wie auch das aktuellste, wird durch die Plattentektonik verursacht: Kontinente sind nicht statisch und unbeweglich, sondern verschieben sich permanent. Die obere feste Erdschicht (Lithosphäre) - die am Meeresgrund viel dünner als auf dem Festland ist, wodurch es bei Seebeben meist zu enormen Materialverschiebungen, den Auslösern für Tsunamis, kommt - hat keine scharfe Grenze nach unten: Unterhalb von 200 Kilometern geht sie in die weiche Asthenosphäre über. Auf dieser schwimmen die sieben großen und zahlreichen kleineren Platten horizontal auseinander, aneinander vorbei oder gegeneinander - in letzterem Fall sind dies Subduktionszonen, dort taucht eine Platte unter die andere ab.

Grafik: STANDARD/University of Texas

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Und dort kommt es auch zu 87 Prozent aller Seebeben, die Flutwellen nach sich ziehen. Solche Zonen befinden sich besonders um den Pazifik (dort entstehen 80 Prozent aller Tsunamis), aber auch im Mittelmeer, an der Westküste Südamerikas und, wie die jetzige Katastrophe in Erinnerung gerufen hat, im Indischen Ozean. Satellitenmessungen ergaben eine jährliche Plattendrift von mehreren Zentimetern.

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Die Plattenbewegungen werden wahrscheinlich durch Konvektionsströme im Erdmantel, bei denen heiße Materie nach oben steigt und an anderer Stelle kälteres Gestein ins Erdinnere absinkt, ausgelöst. Angetrieben wird diese zirkuläre Strömung unter anderem durch die Wärme, die bei radioaktiven Zerfallsprozessen im Erdinneren frei wird. Aufgrund der zähen Gesteinsschmelze im Erdinneren, die ungleichmäßig umhertreibt, sind auch Massen mit starker und schwacher Anziehungskraft im Erdinneren unterschiedlich verteilt. Dies ist auch der Grund, warum der Begriff "Erdkugel" in die Irre führt: Selbst wenn man alle Gebirge und Meeresbecken einebnete, wäre die Erdkugel nicht rund. Wie eine Kartoffel hat sie viele Dellen und Beulen.

Foto: STANDARD/A. Helm, GFZ-Potsdam 2004

Unregelmäßigkeiten der Erdanziehungskraft sorgen dafür, dass alle Stellen auf dem Globus verschieden stark angezogen werden. Gebiete geringer Schwerkraft machen sich als Delle bemerkbar, unter Beulen ist die Erdanziehung besonders hoch. So liegt der Meeresspiegel des Indischen Ozeans örtlich 190 Meter tiefer als der des Westpazifiks vor der Küste Australiens, wie Wissenschafter des Geoforschungszentrums Potsdam durch Satellitenmessungen nun berechnet hatten. Aus den Daten bildeten sie die wirkliche Form der Erde ab: die so genannte Potsdamer Kartoffel (siehe Fotos).

Foto: STANDARD/A. Helm, GFZ-Potsdam 2004

Die größte Delle hat unser Planet bei Indien; dort ist die Anziehungskraft um 0,3 Promille geringer als im Durchschnitt auf der Erdoberfläche. Die Erkenntnisse könnten künftig für Seismologen Bedeutung gewinnen. Denn die messbaren Schwankungen der Schwerkraft gewähren einen Blick ins Erdinnere: Selbst Gesteinsumwälzungen und Unterseevulkane, die Erdbeben verursachen können, spiegeln sich in der Kartoffel. Aufgrund der permanenten Bewegung der Platten und Gesteinsschmelzen muss diese natürlich ständig durch Satellitenmessungen aktualisiert werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 12. 2004)

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