Wien - An den internationalen Ölmärkten ist nach dem Ölpreisschock 2004 keine dramatische Entspannung mehr in Sicht. "Der Ölmarkt hat sich im vergangenen Jahr strukturell verändert", meinte der Ölexperte Ehsan Ul-Haq vom Wiener Energie-Broker PVM am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Der Markt habe erkannt, dass die Nachfrage - vor allem in Asien - viel stärker zunehme als bisher angenommen.

Mit über 50 Dollar je Fass haben die Ölpreise in diesem Jahr einen historischen Höchststand erreicht. Im Jahresdurchschnitt betrachtet erhöhte sich der Preis für ein Fass (159 Liter) der Londoner Ölsorte Brent gegenüber 2003 von 28,53 auf 38,06 Dollar.

Vor allem bei Diesel und Heizöl seien die Ressourcen knapp geworden, sagt Ul Haq. Auf der anderen Seite haben Meldungen von überschätzten Reserven bei Shell und Royal Dutch und Sorgen um die Exporte aus dem Nahen Osten und aus Russland (Stichwort Yukos, Anm.) für Unruhe gesorgt.

Verbrauch bei 82,4 Millionen Fass pro Tag

Der weltweite Ölverbrauch ist laut der Internationalen Energieagentur (IEA) heuer um 3,3 Prozent auf 82,4 Mio. Fass pro Tag gestiegen. Im kommenden Jahr prognostiziert die IEA, die ihre Prognosen im heurigen Jahr mehrfach nach oben korrigiert hat, einen neuerlichen Anstieg um 1,6 Prozent.

PVM geht davon aus, dass der Ölpreis im ersten Quartal 2005 im Durchschnitt bei 39 Dollar liegen wird, im zweiten Quartal auf 33 bis 34 Dollar zurückgeht und im weiteren Jahresverlauf aber wieder auf 36 bis 37 Dollar steigen wird. Das zweite Quartal hält der Ölexperte daher für die geeignetste Zeit, sich mit Heizöl einzudecken - "wenn nichts Unvorhergesehenes passiert".

Ölpreis bei 40 bis 42 Dollar je Fass erwartet

Die österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS gehen im neuen Jahr weiterhin von einem Ölpreis zwischen 40 und 42 Dollar aus. Ein dauerhafter Anstieg der Rohölpreise um 5 Dollar bewirkt laut Modellrechnung des Wifo eine Verlangsamung des heimischen Wirtschaftswachstums um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte.

Die Wirtschaftsforscher haben daher ihre Wachstumsprognose für 2005 erst vor wenigen Wochen von 2,5 Prozent auf 2,2 bis 2,3 Prozent gesenkt. Gemildert wird der Effekt nur durch den starken Euro, der umgekehrt allerdings wieder auf die Exportwirtschaft drückt.

Zuletzt hat sich die Situation am Ölmarkt etwas entspannt. Brent (zur Lieferung im Februar) notierte am Mittwoch, dem ersten Handelstag nach den Feiertagen, bei 38,46 Dollar, 1,61 Dollar unter dem Preis vor Weihnachten. Den Grund dafür sieht Ölexperte Ul-Haq vor allem im bisher milden Winter.

In den USA liege die Nachfrage derzeit an die zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau. Wenn die Temperaturen in den nächsten Tagen aber sinken sollten, würden die Ölpreise wieder steigen, meint Ul-Haq.

Erdbeben-Katastrophe ohne Folgen für den Ölmarkt

Keine preislichen Auswirkungen auf den Ölmarkt - weder in die eine noch in die andere Richtung - erwartet der Experte durch die verheerende Erdbeben-Katastrophe in Südostasien. Kurzfristige Nachfragerückgänge in den betroffenen Krisengebieten würden schon in den nächsten Wochen durch einen höheren Bedarf zum Wiederaufbau kompensiert.

Generell geht Ul-Haq davon aus, dass die Nachfrage in Asien - nicht nur in China und Indien, sondern auch in Indonesien, Vietnam und Pakistan - weiter stark steigen wird.

Risiken für den Ölpreis bergen auch weitere Anschläge oder Unruhen im Nahen Osten etwa rund um die Wahlen im Irak im kommenden Monat. Nach Meinung von PVM ist Öl derzeit auf Grund der instabilen politischen Situation immer noch 5 Dollar teurer als eigentlich auf Grund der Marktlage angemessen wäre.

Reduzierte OPEC-Förderung

Von der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), die ein Drittel des weltweit geförderten Rohöls auf den Markt bringt, erwartet Ul-Haq dennoch, dass in den nächsten Monaten ihre Produktion weiter um weitere ein bis zwei Mio. Fass pro Tag zurückfahren wird, um den Preis über 35 Dollar zu halten.

Die OPEC-Länder hatten sich schon Mitte Dezember darauf verständigt, ihrer Ölförderung per 1. Jänner 2005 um rund eine Million Fass zurückzufahren. Das nächste Treffen ist für den 30. Jänner in Wien angesetzt worden. (APA)