Wien - ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch drängt erneut auf eine Verkürzung der Arbeitszeit. Nachdem sich die Industriellenvereinigung am Vortag für eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit ausgesprochen hatte, verlangte Verzetnitsch am Donnerstag im Gegenzug neuerlich, dass die Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden reduziert werden sollte.

Als Gewerkschafter könne er nicht fordern, dass Leute noch mehr arbeiten sollen, wenn alleine in Österreich "290.000 Arbeitslose auf der Straße stehen".

Abbau von Überstunden als Ziel

Ziel müsse "der Abbau von Überstunden und die Schaffung neuer Arbeitsplätze" sein. Eine Flexibilisierung sei ohnehin schon im Rahmen der Kollektivverträge möglich, betonte der ÖGB-Präsident am Donnerstag in einem Pressegespräch zum Jahreswechsel. Die Verhandlungen über ein neues Arbeitszeitgesetz sollen im "Jänner, Februar, März" fortgesetzt werden.

Eine Flexibilisierung nach Vorstellung der Wirtschaft, die nur dazu diene Überstunden in Normalstunden umzuwandeln, lehnt die Gewerkschaft ab. "Dass aus dem Verlust des Überstundenzuschlags 25.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, kann niemand erklären", meinte Verzetnitsch. Ein solches Arbeitszeitgesetz würde seiner Ansicht nach nur den Unternehmen nützen.

Schwere Kritik an Bartenstein

Schwere Kritik übt Verzetnitsch auch am zuständigen Minister Martin Bartenstein (V). "Bartenstein wäre sofort für eine 48 Stunden-Regelung in der EU", glaubt der ÖGB-Präsident. Ihm zufolge ist Bartenstein neben der Slowakei und Großbritannien der Einzige, der auf Ebene der Europäischen Union auf eine Arbeitszeitverlängerung drängt. Bartenstein solle sich "bewusst werden, dass er nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Arbeitsminister ist".

Für 2005 forderte Verzetnitsch von der Regierung eine generelle Arbeitsmarktoffensive. 200 Mio. Euro sollten zusätzlich für aktive Arbeitsmarkt verwendet werden - etwa zur Vermittlung von Mitarbeitern, deren Betrieb zusperrt. Jedes Jahr wechsle statistisch gesehen jeder dritte Arbeitnehmer den Arbeitgeber. Ziel müsse es sein, die Zeit der Arbeitslosigkeit zwischen den Arbeitsverhältnissen möglichst gering zu halten.

Das derzeitige Wirtschaftswachstum in Österreich reiche alleine nicht aus, um das Ziel der Vollbeschäftigung bis 2010 zu erreichen, betonte Verzetnitsch.

Grundlegende Reform der Lehrlingsausbildung gefordert

Außerdem verlangt der ÖGB für 2005 eine grundlegende Reform der Lehrlingsausbildung. Derzeit seien 16.000 Jugendliche entweder arbeitslos oder nur als Hilfskräfte beschäftigt. "Das ist ein Arbeitskräftepotenzial, das man nicht auf der Straße liegen lassen darf", betonte der ÖGB-Präsident.

Das duale Ausbildungssystem, also die klassische Lehre, stelle die Gewerkschaft an sich nicht in Frage. Auch an der Ausbildungszeit von zwei bis vier Jahren will der ÖGB nicht rütteln. Derzeit gebe es im Wesentlichen aber nur in zehn Berufen Lehrplätze.

Daher müssten neue Lehrberufe definiert werden. "Es kann nicht die Zukunft sein, dass alle Buben Einzelhandelskaufmann oder Automechaniker und Mädchen Einzelhandelskauffrau oder Friseurin werden wollen", meint Verzetnitsch. Neue Lehrplätze verlangt er vor allem im Gesundheitsbereich und in der Kommunikations- und Nachrichtentechnik. (APA)