Im TV-Film "Die Patriarchin" spielt Christoph Waltz (rechts) einen fiesen Manager, dem die Kaffeeröstererbin Iris Berben ein Dorn im Auge ist. Montag um 20.15, ORF 2.

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Wien - Nicht mehr als eine reiche Säuferin ist Nina Vandenberg (Iris Berben), die zu Beginn des TV-Films Die Patriarchin (1. Teil Montag, 20.15 Uhr, ORF 2) ihren Ehemann beim Flugzeugunglück verliert. Der hinterlässt ihr nebst Kaffeerösterei, Schwarzgeld und einem Berg von Schulden vor allem habgierige Geschäftsgegner. Neben Sophie Rois ist das vor allem Christoph Waltz. Zu dritt entwickeln sie in der von Carlo Rola inszenierten Familiensaga ein Spiel, das den Genreregeln angenehm bleibt.

STANDARD: Im Film spielen Sie einen gemeinen, machtbesessenen, hinterhältigen Manager . . .

Waltz: Finden Sie? Ich denke, ich spiele einen ganz normalen Geschäftsmann.

STANDARD: Möglich. Das hieße dann, Geld verdirbt zwangsläufig den Charakter?

Waltz: Natürlich. Jeder wird früher oder später zu dem, was er tagtäglich betreibt. Wenn jemand sich der freien Marktwirtschaft hemmungslos aussetzt, wird das Spuren im Wesen hinterlassen.

STANDARD: Nach einer Studie sind insbesondere Frauen zwischen 14 und 24 Jahren gefährdet, einer Kaufsucht zu erliegen. Privathaushalte sind verschuldeter denn je. Wirklich glücklich macht Wohlstand anscheinend nicht?

Waltz: In dem Zusammenhang ist es zweifelhaft, von Opfern zu sprechen. Wobei ich dennoch eher dazu tendiere, als von den Depperten, die der Werbung erliegen. Das System ist wirklich brutal, es liegt in der Aufgabe des Einzelnen, sich dagegen zu wappnen und zu wehren.

STANDARD: Warum sind die Kaufsüchtigen vornehmlich weiblich?

Waltz: Sie sind es traditionell. Seit ihrem Bestehen hat Werbung Frauen ins Fadenkreuz genommen. Wahrscheinlich wegen der traditionellen bürgerlichen Rollenaufteilung. Vielleicht lässt sich das sogar biologisch erklären: dass für weibliche Wesen der Status im sozialen Gefüge sehr wichtig ist. Konsum hat mit Statuserwerb zu tun. Je höher der Status, desto gesicherter die Brut.

STANDARD: Interessant. Ich dachte, Status hat im männlichem Denken seinen festeren Platz.

Waltz: Ich behaupte nicht, dass Status für Männer nicht wichtig ist. Was heißt! Die meisten Männer existieren für den Status, von dem sie glauben, sie müssen sich ihn erkämpfen. Frauen erwerben ihn auf andere Weise. Möglicherweise ist das ein Ersatzverhalten. Mich interessiert, wie man sich von dieser Abhängigkeit befreien kann. Weil uns die Marktwirtschaft zum Objekt macht. Darunter leiden wir wohl am meisten.

STANDARD: Der Drang, ständig Subjekt sein zu wollen, birgt aber auch die Gefahr des Zwanghaften: "Echte" Menschen sind gefragt - nicht nur, aber vor allem im Fernsehen.

Waltz: Das ist nur eine weitere Drehung an der Verlogenheitsschraube. Es wird vermeintliche Authentizität verkauft und konsumierbar gemacht. Da wird psychische Störung vermarktet.

STANDARD: Werden die Zuschauer dümmer und lassen sich leichter belügen?

Waltz: Nicht die Zuschauer werden dümmer, die Programmmacher werden boshafter. Gieriger sowieso, nicht nur nach der Kohle, die dieser Dreck anscheinend abwirft. Sondern auch nach Macht.

STANDARD: Was ist zu tun?

Waltz: Ich kann die Welt nicht verändern. Das wäre kindisch und pubertär, aber darüber hinaus geht's leider nicht. Was wir hier besprechen, könnte für mich bereits schädlich sein. Kritik ist besonders unerwünscht, wenn sowieso schon alles auf wackligen Beinen steht. Das Fernsehen will keinen, der von innen noch zusätzlich dran rüttelt.

STANDARD: Als Schauspieler bewegen Sie sich in Sachen Macht und Status auf gefährlichem Terrain.

Waltz: Natürlich könnte man sagen: Der kritisiert, aber das Geld nimmt er. Na ja schon, es änderte nichts am kritischen Standpunkt, nähme ich das Geld nicht. Ich appelliere nur, dass man sich nicht völlig überlässt, sondern von Zeit zu Zeit das Gehirn einschaltet.

STANDARD: Und die Gagen?

Waltz: Es gibt die Klage, Schauspieler verdienen zu viel. Welche? Einige sind ihr Geld wert. Überhaupt: Woran soll man das messen? Mittlerweile wird nicht mehr Angebot und Nachfrage definiert. Beim Schauspieler schlägt das voll zu Buche.

STANDARD: Das Ehepaar Fortell und Wussow machte kürzlich Schlagzeilen, weil es Arbeitslosengeld bezog und sich um seine Pensionsversicherung sorgt. Eine Chuzpe?

Waltz: Illegitim ist es nicht. Da Fortell wie jeder andere seine Beiträge leistet, muss ihm wie jedem anderen auch zustehen, Vorteile in Anspruch zu nehmen. Dass er viel verdient, ist natürlich für die Kronen Zeitung ein gefundenes Fressen. Sozialneid ist ein Auflagen förderndes Thema.

STANDARD: Sie sind in Wien geboren, leben in London und drehen hauptsächlich in Deutschland. Muss man aus Österreich auswandern, um als Schauspieler Karriere zu machen?

Waltz: Sicher nicht. Deutschland ist wahrscheinlich der größte westliche Markt außerhalb Amerikas. Wird der als solcher genutzt? Garantiert nicht. Es kann sein, dass ich das durch meinen exzessiven Deutschland-Aufenthalt ein wenig idealisiere, aber in Österreich werden die Möglichkeiten besser genutzt. Ich denke an die kleineren, unabhängigen Filme, die immer noch einen authentischen Ansatz haben. Filme aus Österreich sind ungleich interessanter.

STANDARD: Könnten Sie sich vorstellen, nach Wien zurückzukehren?

Waltz: Ich spiele mit dem Gedanken. Wenn man zum Beispiel Wien und Berlin vergleicht: Berlin ist die Behauptung einer Großstadt, ein Vier-Millionen-Provinzkaff. Wien ist sehr viel kleiner, aber von der Energie immer noch eine Metropole. Ob sich der Eindruck in der Alltagspraxis bewährt, ist eine andere Frage. Im Moment ist mir das Idealisieren aus der Ferne eigentlich ganz recht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 1. 2005)