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Wien - Unter dem Titel "Die Unheimlichkeit des Blicks" widmet das Filmarchiv Austria von 14. Jänner bis 2. Februar im Wiener Metro Kino erstmals eine umfassende Filmschau den Frauen im frühen deutschsprachigen Kino und der Herausbildung eines weiblichen Publikums. Auf dem Programm stehen herausragende Beispiele des Erzählkinos von 1909-1918, die, so das Filmarchiv, einige überraschende Einsichten zum durchaus progressiven und emanzipatorischen Frauenbild offenbaren, das sich im Kino der Kaiserzeit vermittelte.

Frauen waren im Frühen Kino nicht nur der mehrheitliche Teil des Publikums, sondern bestimmten auch in den Filmen als Protagonistinnen von Dramen, Kriminalfilmen und Komödien die Erzählformen der Kinoproduktion bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Das frühe deutschsprachige Kino ist reich an Geschichten für Frauen, die aus dem Alltag gegriffen sind.

Genre "soziales Drama"

Um 1912 bildete sich daraus mit dem damals so genannten "Sozialen Drama" ein eigenes Genre, das aus dem Leben der weiblichen Dienstboten, der Arbeiterinnen bzw. Arbeiterfrauen erzählte. Durchgehende Themen waren Muttersorgen, Eheprobleme, Doppelmoral und die Klassenproblematik im Verhältnis GroßbürgerInnen/KleinbürgerInnen und FabrikbesitzerIn/Arbeiterfamilie. Im Zentrum der meisten Filme aber stand das Geschlechterverhältnis und der erwachende, selbstbewusste Anspruch der Frauen auf Erotik und sexuelle Lust - oft im Konflikt mit dem männlichen Herrschaftsanspruch.

Sprache der Erotik

Die "Sozialen Dramen" waren an ein gemischtes, vor allem aber auch an ein weibliches Publikum gerichtet und wurden maßgebend von den Schauspielerinnen getragen. Eine eigene "Sprache der Erotik" (Béla Balász) in Opposition zur gesellschaftlichen Ordnung entwickelte die Dänin Asta Nielsen, die auch als Produzentin wirkte. Weitere einst prominente Namen wie Wanda Treumann, Lissy Nebuschka, Dorrit Weixler, Henny Porten oder Senta Eichstaedt sind heute größtenteils vergessen.

Sinnlichkeit statt Sittlichkeit

Ein anderes, weit verbreitetes Genre war der Kriminalfilm. Hier begegnet man Detektivinnen und detektivischen Heldinnen, die, bewaffnet mit Flinte, Revolver oder Fernglas, Verbrechern auf der Spur sind. Das darin enthaltene für die Geschlechterverhältnisse subversive Potenzial zeichnet auch das Programm nach: "Statt Sittlichkeit finden wir Sinnlichkeit", formulierte es ein Protagonist der Kinoreformbewegung 1910. Eine wichtige Position in diesem Genre nahm unter anderem der österreichische Regisseur und Schriftsteller Joseph Delmont ein, dem am 27. Jänner ein eigener Abend gewidmet ist.

Ein weiterer Schwerpunkt der Retrospektive (im Rahmen der Reihe "Faszination Filmarchivierung" am 29. und 30. Jänner) gilt dem erst vor einigen Jahren wieder entdeckten deutschen Regisseur und "Pionier des Autorenfilms" Franz Hofer, der die Potenziale des Kinos für die Frauen und das veränderte Geschlechterverhältnis wahrgenommen und mit seinen Filmen - von der Komödie über den Krimi, vom Sozialen Drama bis zum Sensationsfilm - zur Geltung gebracht hat. (APA)