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Der c-leg

Foto: Archiv
Wien – Zwanzig Hände auf einem Tisch greifen vor sich hin. Sie packen zu – lassen los. Greifen wieder – entspannen die Finger. Insgesamt 2000-mal. Und das noch ohne ihre künftigen Besitzer. Denen werden sie erst später begegnen. Nach der umfassenden Testphase. Erst muss sichergestellt werden, dass die neuen Gliedmaßen im "Dreifingerspitzgriff" zupacken, wann immer der elektronische Befehl kommt – und halten so lange sie sollen. Ein Sensor reguliert das Zupacken – und so wird der künftige Handbesitzer nicht die ganze Zeit ans Festhalten denken müssen.

Wenn es um "Myoelektronik" für Prothesen geht, ist die Wiener Otto Bock Healthcare Products GmbH Weltmarktführer: Seit 1969 werden am Wiener Standort des deutschen Unternehmens Produkte entwickelt, die Muskelanspannungen über Elektroden abnehmen und mit diesen Impulsen den Motor der Prothese steuern. "Das war damals ein absolut revolutionärer Ansatz", erinnert Unternehmenssprecher Gerald Haslinger. Und auch mehr als 30 Jahre später ist dieses Wiener High^tech-Unternehmen immer noch für Überraschungen gut.

Nicht umsonst ist ein Viertel der 230 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Ende 1997 kam etwa das "C-Leg" auf den Markt. Ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk, das 1999 mit dem österreichischen Innovationspreis prämiert wurde.

Dieses Bein, das "Computerized Leg", ist ein "vollelektronisch gesteuertes hydraulisches Kniegelenk", erläutert Gerald Haslinger. "Die Sensoren im Knöchelbereich kontrollieren und steuern die Position des Kniewinkels bis zu 50-mal in der Sekunde." So nahe am natürlichen Gehen, ist der Unternehmenssprecher hörbar stolz, war man bisher noch nie. "Für die Benutzer des C-Legs ist das praktisch Echtzeit."

Sportlich, Daher sind mit dem C-Leg sogar Sportarten wie Inline-skaten, Radfahren oder Ski-langlauf möglich. Ein Schlüsselprodukt, das eine rasante Expansion mit sich brachte. Inzwischen sind bereits rund 7000 Patienten weltweit mit dem C-Leg unterwegs.

Der Jahresumsatz des Wiener Otto-Bock-Unternehmens liegt bei 40 Millionen Euro, der Exportanteil bei 90 Prozent. Und der Produktionsstandort in der Kaiserstraße 39 platzte bald aus allen Nähten. Derzeit übersiedelt die Produktion – nicht ins östliche Ausland, sondern in die Simmeringer Brehmstraße. "Da wir vor allem höchstqualifiziertes Personal benötigen, war ein Abwandern eigentlich nie Thema", betont der Unternehmenssprecher.

Daher werden die Prothe senelemente nach wie vor in Wien zusammengebaut – in kleinstteiliger Präzisionsarbeit wie beim Uhrmacher. Minizylinder werden bestückt – hier sind es Motoren und Getriebe für eine Kinderhand.

elektronisch und
Zum Teil müssen die Mitarbeiter geerdet werden, damit die Elektronik der Steuerungselemente nicht im Mitleidenschaft gezogen wird. Platz sparen ist immer ein Thema: "Manchmal wir die Elektronik auf einem Ring aufgebaut", berichtet Haslinger. "Im C-Leg haben wir die Hauptelektronik in die Kniescheibe eingebaut."

Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass es auch bei der Benützung von Prothesen Mentalitätsunterschiede gibt: "Das ist wie beim Autofahren. Europäer wollen eher härtere Einstellungen, im amerikanischen Raum ist man lieber bequemer und gemütlicher unterwegs." Der große Unterschied zum Auto: "Prothesen müssen viel mehr Betriebsstunden überstehen." Daher wird ausgiebigst getestet. Das C-Leg macht 1000 Zyklen am Gehsimulator durch, bevor es ausgeliefert wird.

wetterfest Auch kommen die Teile noch in den Klimaschrank. Werden 24 Stunden lang auf unterschiedliche Luftfeuchtigkeit und Temperaturen von minus 15 bis plus 65 Grad getestet. Auf die Erfahrung der eigenen Expansion aufbauend, hat das Unternehmen beim neuen Produktionsstandort sicherheitshalber freien Platz gelassen. Schließlich ist derzeit gerade der "Dynamic Arm" in Erprobung. Ein neues Produkt, ähnlich komp^lex und komfortabel wie das C-Leg, samt Motor und Getriebe. Haslinger: "Der kommt Mitte 2005 auf den Markt." (Roman David-Freihsl; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 08./09.1.2005)