Berlin - Die Restaurants der Ausgehmeilen haben weiße Tischdecken aufgelegt, und in den Luxusboutiquen liegen Ohrringe für 16.000 Euro im Schaufenster. Der alte Berliner Westen rund um den Kurfürstendamm meldet sich zurück. Händler sprechen von einer dritten Gründerzeit des Boulevards, dem nach der Wende immer wieder schleichende Verödung nachgesagt wurde. 2005 wird Charlottenburg 300 Jahre alt, und die City West will sich ins rechte Licht setzen: Als begehrte Einkaufsmeile und stabiles Zentrum, das bürgerliche Traditionen dem coolen Hype der Neuen Mitte vorzieht.

"Der Ku'damm ist absolut wieder im Kommen", sagt Berlins Tourismuschef Hanns Peter Nerger. Für deutsche und ausländische Gäste sei er die Top-Einkaufsadresse, einmalig in Deutschland mit seiner Mischung aus Kaufhäusern, Geschäften und einem Luxussegment für die Gutbetuchten. Was aber nicht heißt, dass die Friedrichstraße im Osten der Stadt in der Gunst des Publikums sinkt. "Touristen haben sich daran gewöhnt, dass Berlin zwei große Einkaufsmeilen hat. Das ist ein gesunder Wettbewerb", ergänzt Nerger.

Blüte und Niedergang liegen beim Kurfürstendamm seit seiner Gründung im späten 19. Jahrhundert dicht beieinander. In den zwanziger Jahren überflügelte der Boulevard mit seinen Luxusgeschäften, Theatern, Kabaretts und Künstlercafes das alte Berliner Zentrum Unter den Linden. Erst der Krieg machte dem Trubel ein jähes Ende. Nach dem Mauerbau 1961 verfestigte sich eine zweite Blütezeit im Zeichen der Frontstadt-Mentalität. Als Schaufenster des Westens stand der Ku'damm für Freiheit, Freizügigkeit und Wohlstand.

In den siebziger Jahren stark heruntergekommen, rappelte sich der Boulevard in den Achtzigern wieder auf. Dann kam der nächste "Schock": der Mauerfall. Das Interesse am alten Westen begann zu schwinden. Es gab Spannenderes in der Hauptstadt zu entdecken: den neuen Osten, seine alten Zentren, die neu erfunden wurden.

Doch auch dieses Bild hat sich im schnelllebigen Berlin schon wieder gewandelt. Mit ihrem reichen Angebot von mehr als 1,500 Geschäften ist die City West heute unschlagbar. Die IHK bezifferte den Einzelhandelsumsatz 2003 auf 17,3 Milliarden Euro. "Das ist und bleibt die Spitzenlage, auch in einer Hauptstadt mit vielen Zentren", sagt Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Berliner Einzelhandels- Verbandes.

Gläserne und stählerne Neubauten renommierter Architekten wie das Kranzler- oder Ku'dammeck haben dem Boulevard seit Mitte der neunziger Jahre mehr Modernität eingehaucht. "Nach dem Mauerfall wurde hier ein paar Jahre lang geschlafen", gibt Kerstin Sperling, Projektleiterin der AG City, unumwunden zu. Doch nun punkte die Gegend wieder mit ihrer lebendigen Mischung aus Wohnen, Kultur und Geschäften. Und abends fühle sich auch ein älteres Publikum wohl, das die Gelassenheit der Charlottenburger Traditionsviertel der Dynamik der Ost-Szenemeilen vorzieht.

Doch der Boulevard und seine Umgebung brauchten viel mehr Eigeninitiative der Händler, betont Sperling. Servicepersonal mit Fremdsprachenkenntnissen, mehrsprachige Speisekarten - eben alles, was den Muff des alten Westens vertreiben kann. Der runde Geburtstag Charlottenburgs soll ein festliches Sommerprogramm inspirieren. (apa)