Für "normale" Interpreten muss die Karriere dieses genialen Sonderlings entmutigend gewesen sein. Gould gewinnt nebenher, 14-jährig, einen kleinen Wettbewerb, macht 23-jährig eine Schallplatteneinspielung, die er später grinsend als meistüberschätzte Aufnahme in der Geschichte abtun wird, und kann 25-jährig bereits mit Karajan eine sensationelle Europatournee starten.
Da hörte ich ihn – und verfiel der Eleganz seiner souveränen Passagenkunst, der Anmut seines perlenden Non-legato-Spiels. Bereits ein paar Jahre später machte er nur mehr Schallplatten. Berühmt blieb Gould bis heute. Thomas Bernhard, der bitterböse Dichter, formulierte im Roman Der Untergeher, (zwei solide österreichische Klavierspieler zerbrechen da an Goulds Genie): "Keiner spielte wie Glenn." Freilich sagt Bernhard nicht, worin die Überlegenheit bestanden habe.
Dieser Podiumsscheue, Unkonventionelle hat seinen Weltruhm ja keineswegs erlangt, nur weil er beim Spielen manchmal mitheulte, notfalls in Turnschuhen auftrat, oder während der Orchesterzwischenspiele die Hände in warmes Wasser tauchte. Gould verfügte über eine Passagenkunst von unvergleichlicher Leuchtkraft.
Das Presto-Finale von Bachs Italienischem Konzert meisterte er mit atemberaubendem Drive. Genauso souverän vermag er – ein geborener Polyfoniker – die drei Stimmen des langsamen Satzes differenziert voneinander abzuheben. Überdies ist Gould lebenslang ein eigenbrötlerischer Suchender, Findender gewesen. Er hat gezeigt, wie geschickt Liszt Beethovens fünfte Symphonie auf ein Klavier zu übertragen verstand – allerdings auch, wie allmächtig der Pianist sein muss, der diese "über-lisztete" Symphonie dann auf dem Flügel zum Klingen zu bringen vermag.