Auf glatten Bildoberflächen auf der Jagd nach der Innerlichkeit von haltlosen Liebeswerbern: Jude Law und Julia Roberts in "Closer"

Foto: Columbia

Erlaubt ist, was gefällt. Doch wer findet daran noch Gefallen?

Wien – Die Wände im Atelier der Fotografin sind voller Porträts unbekannter Existenzen. Dan (Jude Law), der bei Anna (Julia Roberts) Modell steht, erkundigt sich nach ihrer Profession: Stiehlt sie mit ihrem Blick diese Leben oder borgt sie sie bloß aus?

Der Satz ist doppeldeutig, wie viele der Dialoge in Mike Nichols' Verfilmung von Patrick Marbers Stück Closer. Die vier Figuren sind nämlich alle Räuber. Jede/r begehrt den Mann/die Frau des anderen. Und so endet diese Szene nicht nur mit einem Foto, sondern auch mit einem Kuss.

Begonnen hat der Film mit einer anderen Begegnung. Mitten im Gewimmel der Passanten treffen sich zwei Blicke, der von Dan und jener von Alice (Natalie Portman). Ein Unfall erleichtert die Bekanntschaft der beiden, im Krankenhaus werden die Blicke glühend. Doch Nichols/ Marber stellen solche Momente nur her, um sie zu zerstören.

Es geht nicht um den Zustand des Glücks, sondern um die Mechanik der Verführung und die Gewalt von Trennungen. Closer stellt solche signifikanten Einschnitte im Leben seiner Figuren symmetrisch zueinander in Beziehung. Weil es sich um einen Reigen des Begehrens und der Abstoßung handelt, bleibt das Außen ausgeblendet.

Der gesellschaftliche Ausschnitt ist auf eine urbane Boheme eingeschränkt: Anna, Alice, Dan und Larry (Clive Owen) flirten, gestehen und lügen bevorzugt in Innenräumen von Lofts und Galerien. Die theatralen Vorgaben des Stücks werden in diesen Settings noch weiter betont.

Closer tritt mit dem Anspruch auf, das Update einer neuen Generation im Geschlechterkampf zu liefern. Dafür bürgt mit Nichols ein Regisseur, der schon öfters Filme gedreht hat, die den Zeitgeist trafen. Je länger sich dieses Beziehungskarussell dreht, desto heftiger werden die Auseinandersetzungen. Der Film zieht daraus eher spekulativen Reiz: Der anhaltende Betrug lässt alle Hemmungen sinken. Die Aufrichtigkeit erweist sich als Kehrseite des wechselseitigen Vertrauens, die Wahrheit treibt die Figuren in die Isolation.

An einer Stelle tritt Anna in einer Ausstellung einem Foto gegenüber, auf dem sie mit einer Träne zu sehen ist. Sie beklagt, dass solche Bilder nichts über die Figur vermitteln. Womit sie das Problem des Films charakterisiert.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.1.2005)