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Je nach Lebensgefühl - Snowboards für alle Geschmäcker und Füße.

Foto: APA/dpa/Peter Kneffel

Am Ende der Skipiste beginnt der Laufsteg. In der flachen Auslaufzone schnallen ein paar Snowboarder ihre Sportgeräte ab, tragen sie vor sich her zum Lift und verschwinden dabei fast hinter dem Brett, oder besser: hinter dem Bild auf der Brettoberfläche, einer tanzenden Frau, einer Schneeflocke unter dem Mikroskop, einem Monster mit vielen Zähnen. Beim Schlepplift nebenan schieben sich die Wartenden derweil langsam nach vorne, blicken stumm auf den Boden, sehen den schmutzigen Schnee, bedeckt mit einer Schicht bunter Bilder.

Im Kern ist auch das Snowboard längst ein normales Sportgerät, ein steriles Hightechprodukt, ein Amalgam aus Holz, Karbon und Fiberglas. An der Oberfläche aber hat sich der einstige Trendsport seinen popkulturellen Appeal bewahrt. "Trotz der Technologie bleibt das Snowboard ein Designprodukt", meint Brendan Murphy, Chefgrafiker des Snowboard-Marktführers Burton, "das steckt unserer Kultur einfach in den Knochen. Es geht immer darum: Wie sieht du aus? Und was willst du aussagen?" Im Ruhezustand wird das Board zur Visitenkarte. "Viele Leute denken, das Design habe etwas mit den inneren Werten des Fahrers zu tun", meint der Münchner Snowboard-Profi Jan Michaelis. Michaelis fährt ein Board der Head Team Series, ein weißes Brett, bedruckt mit einer grauen Skyline und roten Straßenlaternen. Wie man diese Board-Grafik deutet - ein Stadtkind in den Bergen, auf der Suche nach urbanem Flair? - ist Michaelis aber egal: "Hauptsache ich fahre gut darauf in der Pipe."

Peter Wirthenstaetter kann diese Fragen nicht so einfach ignorieren wie sein Angestellter. Wirthenstaetter ist Leiter der Snowboard-Produktentwicklung bei Head und findet: "Man verkauft die Bretter nur noch über die Optik." Die große Fläche ist das Besondere, meint Wirthenstaetter, ein Brett sei wie ein Poster, man habe genug Platz, um "ein Gefühl und eine Kultur zu vermitteln". Das Sportgerät hat sprechen gelernt. In allen Disziplinen. Aber es gibt wohl wenige Sportler, die ein derart persönliches Verhältnis zu ihrem Equipment pflegen wie die Boardrider. Mit der Brettwahl trifft man eine Aussage über Stil und Charakter, Vorlieben und Vorbilder. Besonders erfolgreiche Produkte sind deshalb die so genannten "Pro-Modelle" und "Signature Boards", welche von den Profis und Stars präsentiert und mitgestaltet werden. Ein eigenes Pro-Modell zu haben ist "das Größte" in den Brett-Spiel-Sportarten, wie der Skateboarder Tony Hawk in seiner Biografie schreibt. Bereits als Zwölfjähriger kam Hawk zu dieser Ehre und kritzelte einen Falken auf eine Serviette - wenig später hing das Bild in den Skateshops der Welt. Er schreibt: "Es war hässlich, aber es war von mir, alles andere war egal."

Die Designgeschichte der Snowboards ist lang und vor allem bunt

In den 80er-Jahren prangten riesige Logos und neonfarbene Malkastenkatastrophen auf den Brettern. "Das war nicht so hübsch", erinnert sich Peter Wirthenstaetter, "aber so waren eben die Zeiten." Die grellen Designs passten zu den pinkfarbenen Elho-Jacken auf der Skipiste und Boy George beim Après-Ski, waren aber auch der primitiven Technik geschuldet. Mit Vierfarbensiebdruck konnte man eben nur Flächen und Punkte malen. Heute ermöglichen Techniken wie digitale Sublimation einen fotorealistischen Druck. "Anything goes", das Motto der Popkultur, gilt nun endlich auch in technischer Hinsicht. "Die Board-Grafik ist ein Spiegel der Modekultur", meint Wirthenstaetter, und an manche Designs erinnert

man sich auch noch nach Jahren wie an eine gute CD oder einen schönen Film. 1996 zum Beispiel brachte Killer Loop ein transparentes Brett auf den Markt, bei dem man auf den Holzkern und den Schnee blicken konnte. Ein paar Jahre später kamen Tatoo- und Fantasymotive in Mode, in den vergangenen Jahren dann vor allem Fotoinstallationen. K2 etwa verkaufte im Jahr 2003 das Modell "Movement", bedruckt mit unscharfen Kriegsbildern, Luftabwehrraketen und einem Jetpiloten. Was das bedeutet - Gewaltverherrlichung oder Kriegskritik - liegt dann einmal wieder im Blick des Betrachters.

Im aktuellen Winter dominieren in den Läden eher schlichte Designs. Im Naturholzlook sehen die Bretter aus wie Puzzlestücke eines edlen Parkettbodens. Diese neue Einfachheit sieht man auch in Brendan Murphys diesjähriger, nun ja, Burton-Kollektion: Die Bretter sind beinahe einfarbig, nur ein paar schüchterne, dünne Linien, ein blattloser Ast vor fahlem Blau, ein gesprungenes Glas in Grau. Um in der neonfarbenen Gegenwart überhaupt noch aufzufallen, kommt man am besten blass und bescheiden daher. Mit der Menschenmasse am Lift zu verschmelzen bleibt der große Albtraum der Individualsportler, oder wie es der Burton-Fahrer Heiki Sorsa sagt: "Ein Brett sollte am besten einzigartig sein." Seine Visitenkarte will man ja auch mit niemandem teilen. "Bei unseren Teamfahrern sieht kein Brett gleich aus", erzählt Peter Wirthenstaetter, "jeder individualisiert sein Brett." Mit Filzstiften, Stickern oder Spraydosen kann man dem unglücklichen Massenprodukt Snowboard einen Ego-Zuckerguss verpassen.

Das Individualitätsbedürfnis ist ein Wachstumsmarkt

Entwerfe dein eigenes Snowboard", wirbt etwa die Firma Boarddesigner.com, welche Einheitsbretter mit den persönlichen Photoshop-Entwürfen ihrer Kunden versieht. "Die Gestaltung sollte die Energie und Kreativität transportieren, die im Snowboarden steckt", meint auch Chuck Ankany von OriginalSnowboardArt, "und die ist bei jedem Fahrer anders." In seiner Internetgalerie hat Ankany mehr als 200 Snowboard-Entwürfe von Künstlern aus aller Welt gesammelt, die man sich als Foliendruck bestellen und auf das eigene Brett kleben kann. "Man kann es aber auch einfach daheim an die Wand hängen", meint Ankany. Dann wird das Snowboard endgültig zum Poster. (Der Standard/rondo/21.01.2005)