STANDARD: Sie entwickeln einen Impfstoff gegen Atherosklerose. Wie funktioniert die Impfung? Brunner: Der Impfstoff soll den Lipidstoffwechsel so beeinflussen, dass sich das Verhältnis zwischen "gutem" und "bösem" Cholesterin verändert. Genaues ist in diesem Stadium noch vertraulich.

STANDARD: Es gibt bereits herkömmliche Medikamente gegen Arterienverkalkung. Wird man auf sie künftig verzichten können?

Brunner: In Verwendung sind etwa Statine. Die lösen das Problem aber nicht wirklich. Wir wollen einen Impfstoff entwickeln, der über längere Zeit hilft. Atherosklerose ist Resultat ungesunder Lebensweise. Wir ernähren uns falsch und bewegen uns zu wenig. Primär wäre eine Änderung unserer Lebensgewohnheiten der einfachste Weg, Atherosklerose zu verhindern. Das ist aber leider völlig unrealistisch. Deswegen versuchen wir, Medikamente zu entwickeln.

STANDARD: Angeblich hilft Rotwein?

Brunner: Ich würde mich freuen, wenn dem so ist. Ich mag auch gerne Rotwein. Allerdings dürfte es nicht ganz so einfach sein. Ganz wichtig zur Vorbeugung ist bestimmt mehr Bewegung.

STANDARD: Zeichnen sich Ergebnisse in Ihren Forschungen ab?

Brunner: Wir sind ganz am Anfang der Arbeit, stellen erst ein Instrumentarium zusammen. Es wird noch einige Monate dauern, bis wir zu ersten Ergebnissen kommen.

STANDARD: Sie entwickeln auch einen Impfstoff gegen Alzheimer. 2002 musste ein britischer Pharmakonzern ähnliche Ambitionen fallen lassen. Was machen Sie anders?

Brunner: Dabei waren körpereigene Proteine im Spiel, und es bestand die Gefahr, dass nicht nur krankes Gewebe angegriffen wird. Wir versuchen diese Reaktionen zu vermeiden. Hier haben wir bereits gute Ergebnisse.

STANDARD: Was passiert, wenn nichts passiert?

Brunner: Das ist durchaus möglich, dann brechen wir das Projekt ab. Wenn keine Ergebnisse zu erzielen sind oder schwere Nebenwirkungen auftreten, brechen wir ab, ein ganz normaler Vorgang.

STANDARD: Wie finanziert sich Ihre Firma?

Brunner: Anfangs reicht das Startkapital aus, das von der öffentlichen Hand gewährt wird. Für die Zukunft sind wir natürlich auch auf Investoren angewiesen, die möglichst rasch Ergebnisse sehen wollen. Mitunter ist es schwierig, Geldgeber zu finden.

STANDARD: Ist universitäre Forschung da freier?

Brunner: An den Universitäten ist es nicht viel anders. Sie müssen auch schauen, wie sie Geld für Projekte auftreiben. Die Unis sollten meiner Ansicht nach in Ruhe Grundlagenforschung betreiben, ohne krampfhaft argumentieren zu müssen, dass das in allernächster Zukunft wirtschaftlich verwertbar sein wird. Ich glaube, dass der Staat dafür mehr Geld zur Verfügung stellen muss. Im Moment ist genau das Gegenteil der Fall. An den Unis fehlt es am Notwendigsten. Die Debatte um Elite-Unis kommt mir in dem Zusammenhang absurd vor.

STANDARD: Sie haben den vom Zentrum für Technologie und Innovation ausgeschriebenen Wettbewerb FemPower Vienna 2004 gewonnen. Er soll den Anteil der hoch qualifizierten Frauen in der Forschung erhöhen. Halten Sie solche Maßnahmen für förderlich?

Brunner: Sehr, weil das Projekt in die Firma eingegliedert ist und der Preis es ermöglicht, zusätzlich wen einzustellen. Wir wollten jemanden aufnehmen, und in dem Fall ist das mit Sicherheit eine Frau.

STANDARD: Warum gibt es so wenige Frauen in der Forschung? Der Frauenanteil liegt in Österreich mit knapp zehn Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt.

Brunner: Die Jobs werden bei uns in Netzwerken vergeben. Egal, ob am Biertisch oder in der Burschenschaft. Jedenfalls sind es traditionell Bereiche, wo Frauen wenig präsent sind. Vielen Frauen wollen selbst nicht wahrhaben, dass männliche Studienabgänger viel schneller einen Job haben. Frauen hanteln sich oft gezwungenermaßen von einem Stipendium zum nächsten.

STANDARD: Findet die Vernetzung unter Frauen statt?

Brunner: Wir helfen uns gegenseitig. Sich nur zu versammeln und zu jammern hilft nichts. Zu sagen, "wir haben Probleme, weil wir Familie und Kinder haben": Das ist nicht das erste Problem, das Frauen haben, ein sehr hoher Anteil der Akademikerinnen hat ohnedies keine Kinder. Wenn ich von vornherein keinen Job bekomme, stellt sich die Frage nicht.

STANDARD: Haben Frauen es in der Forschung schwerer als Männer?

Brunner: Frauen wird viel schneller Kompetenz abgesprochen. Männer mit vergleichbaren Fähigkeiten haben von vornherein einen Bonus. Und Frauen beschweren sich weniger schnell über die Bedingungen in der Arbeit. Es sitzen weitaus mehr Frauen als Männer monatelang zehn Stunden in einer dunklen Zelle und pipettieren stupide vor sich hin. Männer sagen schneller: "Mit mir nicht."

STANDARD: Die Biotechbranche unterscheidet sich somit nicht von anderen? Brunner: Wieso soll es anders sein? Frauen in höheren Positionen haben auch bei uns Angst, als böse Emanze abgestempelt zu werden. Mir ist das egal, nur: Es scheitert nicht zuletzt an deren Einsicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 1. 2005)