Den Klischees alpiner Nobeldestinationen entspricht man am Arlberg aber nur mehr bedingt...

Lech-Tourismus

Kürzlich im Kino und vor einem Jahr bei Dreharbeiten in Lech am Arlberg: Renée Zellweger

UIP
Auch in Nobelskiorten wie Lech am Arlberg macht man sich Gedanken über neue touristische Angebote.

Kürzlich sah ich Lech am Arlberg im Kino wieder. "Bridget Jones" raste, aufgemascherlt auf exzentrische, latent geschmacklose Engländerin, in Zuckerlrosa haltlos irgendwelche Schneehänge hinunter. Ich wurde wieder einmal daran erinnert, dass ich für die Beschreibung von Skiurlauben der denkbar Ungeeignetste bin. Skiurlaub - das sind bei mir immer die anderen.

Wenn Frau und Kinder zu irgendwelchen Talseilbahnen chauffiert werden wollen, stehe ich gerne als Chauffeur zur Verfügung, meine eigene Skiausrüstung hat sich aber nach letzten Zuckungen guten Willens in den Jugendtagen quasi aufgelöst. Schlittenfahren ist noch das höchste der Gefühle. Insofern war es also fast ein Jahrhundertwitz, als ausgerechnet ich im Vorjahr nach Lech eingeladen wurde, vordringlich, um eines der nobelsten Hotels im Ort zu "testen" - den Almhof Schneider, fünf Sterne und also das volle Programm, das sich in meinem näheren Freundes- und Verwandtenkreis nie im Leben auch nur irgendwer leisten könnte. Das reizte. Und also sprach ich zu Frau und Nachwuchs: Seht ihr mal zu, wie es oben auf den Pisten zugeht, und ich, äh, sehe mich vor Ort um.

Gesagt, getan. Eigentlich wäre ich am liebsten Tag und Nacht im Almhof Schneider geblieben. Man hat dort eine besonders unaufdringliche Art, luxuriöse Gastfreundschaft zu betreiben, der PR-Slogans wie "Sonnenterrasse mit Arlberg-Panoramablick, Tagesbar und Kaminhalle für gemütliches Zwischendurch" nicht wirklich entsprechen. Andererseits entspricht der Almhof, in dem größtenteils sehr betuchte und teilweise auch prominente Stammgäste residieren, nur noch bedingt den Klischeebildern, die man sich von Lech als (konservativem) schickem Winterparadies gemacht haben mag - nicht zuletzt wegen des Generationenwechsels, den die Leitung des Familienunternehmens in den vergangenen Jahren vollzogen hat. Überhaupt: Was heißt das heute - Lech?

Die exzentrische Stadtneurotikerin Bridget Jones, die im Kino alpines Gelände eher als bedrohlich zu empfinden scheint, illustriert ganz gut die realen Problemstellungen, mit denen das Nobeldorf in Zeiten wie diesen konfrontiert ist. Stichwort: Event-Tourismus. Wer käme heute noch in die Berge, um tatsächlich die Anstrengungen und mitunter auch Risiken auf sich zu nehmen, die die Fortbewegung dort mit sich bringt?

Ein Besuch bei Tourismusmanager Urs Kamber macht zum Beispiel ziemlich deutlich, dass auch bei einem bürgerlichen Publikum mit der bloßen Aufzählung exzellenter Skilifte und Pistenverhältnisse nur bedingt Begeisterung auszulösen ist. Andererseits will eben dieses Publikum, das in Lech noch dazu Diskretion und Zurückgezogenheit zelebriert, nicht mit den Rufzeichen diverser Mega-Events Marke Ischgl belästigt werden. Für den Winter scheint also zu gelten: Trendsportarten, soft und betont exklusiv, ausgiebige Vernetzung von Wellness- und sonstigen Freizeitprogrammen. Und auch für den Sommer, der - was angesichts der prächtigen, durch Pistenanlagen kaum zerstörten Landschaft einigermaßen verblüfft - bis dato eher eine "tote" Jahreszeit war, wartet man jetzt mit patentierten Exklusivprogrammen auf. Wandern allein: Das klingt altmodisch. Also sagt man jetzt "Welltain!", wenn man Gäste - möglichst mit Fitnessprogrammen - anlocken möchte. Und dann freut man sich in Lech über Schlagzeilen wie "Berg macht schlank" oder "Wandern als Wiedergeburt" oder "Anti-Aging zum Inhalieren". Es stellt sich nur die Frage, ob das nicht auch sehr bald wieder Schnee von gestern ist.

Es geht aber auch etwas subtiler und kultivierter: Almhof-Jungchef Gerold Schneider zum Beispiel, der eigentlich in Wien Architektur studierte, investiert offensiv in ein Mehr an Lebensqualität im Sinne auch musischer Angebote. Er und seine Frau, die Architektin Katja Polletin, haben etwa eine alte Holzscheune zu einem "Kulturstadel" umgebaut - eine nüchtern elegante Mischung aus Veranstaltungs- und Wohnstudio, in das auch immer wieder "artists in residence" eingeladen werden. Und eine von Polletin und Schneider konzipierte neue Skihütte, die so genannte "Schneggarei", erhielt bereits 2003 den Vorarlberger Holzbaupreis.

Assoziierte man Lech unter intellektuellen Gesichtspunkten bis dato nur mit dem "Philosophicum", so will man in den kommenden Jahren eine Erweiterung des Spektrums sanft vorantreiben. Jene Gäste, die mittlerweile auf ihren Zimmern mit vollem digitalem Equipment ausgestattet werden oder sich in eigenen Luxusapartments demnächst vom Privatkoch verwöhnen lassen können - sie hätten dann zumindest sporadisch gewohnte kulturelle Angebote in der "Nachbarschaft".

Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass man am Arlberg traditionell bevorzugt mit einer Klientel aus Deutschland und aus der Schweiz zu tun hat. Lediglich 18 Prozent der Gäste kommen aus Österreich. Im Almhof Schneider antwortet man darauf selbstbewusst mit: "Unsere Familie ist kosmopolitisch geworden, während Gäste aus aller Welt hier heimisch geworden sind."

Und was soll ich jetzt über die Pisten und die Lifte und die Skihütten sagen? Rodeln war ich ein Mal, auf einer durchaus anspruchsvollen Strecke herunter von der sehr exklusiven Enklave Oberlech. Und, nein, nicht Nordic Walking, sondern einfach wandern, den Lechfluss entlang. Und wenn man auf die sonnenbeschienenen Schnee- und Eiswechten links und rechts des Weges blickte, dann bildeten sie einen denkwürdigen Kontrast zu dem, was man heute unter "Welltain" verstehen mag . . . (Der Standard/rondo/28/1/2005)