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Foto: Reuters/Hird
"Jugendliche sind heute zu sehr eingeschränkt. Ich höre viel zu oft: Das gehört sich nicht", beschwert sich Désirée Cserinko (15). Sie verspürt einen Drang zur Rebellion, vor allem "bei strikten Verboten" in denen sie "keinen Sinn" sieht. Für Désirée bedeutet Rebellion, ihre Meinung zu sagen, ohne sich von anderen einschüchtern zu lassen.

"In der Jugend gibt es etwas Rebellisches, das auf Veränderung abzielt, die gängigen Normen ignoriert und eigene Gesetze konstruiert", beschreibt Beate Grossegger vom Institut für Jugendkulturforschung das Phänomen, welches sie unter den Titel "Freestylekultur" stellt. Sie bezeichnet diese Traditionsbrüche als ein Privileg der Jugend. "Manches wird von der vorigen Generation übernommen und weiterentwickelt, manche Bereiche aber auch total eigenständig neuentwickelt", sagt sie dem SCHÜLERSTANDARD. Auch die Themen der Rebellion wären über Jahrhunderte hinweg sehr ähnlich, würden aber - vor dem Hintergrund einer sich ändernden Gesellschaft - unterschiedlich umgesetzt.

Der ehemalige Hausbesetzer (unter anderem der Wiener Arena) Dieter Schrage kann sich doch an wechselnde Themen erinnern. "In den 60er-Jahren war es das Auflehnen gegen das Establishment, die Frauenbewegung kam in den 70ern, heute ist die Globalisierung das große Thema," sagt der heutige Pensionistensprecher der Grünen. Durch die nun anderen Rahmenbedingungen sei es schwieriger geworden, zu rebellieren. "Es gibt heutzutage unheimlich viele Anpassungszwänge."

"Früher brauchte man sich nur lustig anzuziehen, heute muss man schon etwas Großes machen, damit ein paar Leute dich als rebellierend anerkennen", stimmt Schüler Benjamin Reimitz (16) zu.

Großes erreichen will Lisi Waldschütz (19): "Wir möchten den Kapitalismus bekämpfen und eine sozialistische Welt aufbauen", erläutert die Leiterin der Organisation "Revolution Österreich" ihre Vision einer globalen Revolution. "Die Herrschenden werden immer gegen uns sein, aber wir werden dafür kämpfen, dass die Herrscher irgendwann nicht mehr da sind."

Begriff hinterfragen

Der Begriff Revolution sei heute auf allen möglichen Gebieten sehr gefragt, meint Politologe Fritz Windhager vom Institut für Politikwissenschaften der Uni Wien. Und zwar, weil "Revolution für uns historisch betrachtet meistens etwas Positives" bedeutete. Windhager rät aber, zu hinterfragen, was man sich eigentlich unter diesem Begriff vorstellt. "Ich denke, dass das Revolutionäre, das Bedürfnis etwas zu ändern, nicht mit einer Kalaschnikow Ausdruck finden sollte." Die Jugend praktiziere gewaltfreie, kleine Revolutionen jeden Tag, schon durch ihre "oft sehr wohltuenden Auffälligkeiten. Jugendliche sind der Agent des sozialen Wandels. Weil sich die Jugend bewegt, bewegt sich auch die Gesellschaft; weil sie fordert und frech ist, aufmüpfig und nicht angepasst."

Ernsthafte Rebellion

"Man greift dann oft zu illegalen Mitteln. Das finde ich schade", bezieht sich Maximilian Franschitz (16) auf das Manko an Möglichkeiten zur ernsthaften Rebellion. Jedoch: "Rebellieren ist notwendig."

"Ziel war immer die autonome Selbstbestimmung", blickt Schrage auf seine Hausbesetzungen zurück, die er als "Wetterscheide in der Jugendkultur" bezeichnet. "Davor fand nur soziale Zwangsbeglückung von oben statt, dann konnten kunstschaffende Jugendliche die Sache selbst in die Hand nehmen." Was in zwanzig Jahren Thema der Rebellion sein wird, traut sich Schrage nicht vorherzusagen. "Ich denke allerdings, dass es systemsprengende Aktivitäten geben wird."

Auch Benjamin kann für die Rebellion in zwanzig Jahren nur Wünsche äußern. "Ich hoffe, dass gegen die Vereinheitlichung der Masse und für Individualismus protestiert wird. Und vielleicht mit dem Slogan ,Keine Macht den Maschinen' oder so ähnlich."

(Hannah Berger, Flora Eder, Julia Grillmayr/DER STANDARD-Printausgabe, 1.2.2005)