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Der Tsunami zerstörte zahlreiche Fischereiflotten (im Bild: Nagappattinam, Indien), Fischbestände erholen sich nun.

Foto: Reuters/Kishore
Berichte über den Tsunami, der vor gut fünf Wochen Südostasien verwüstete, wurden verständlicherweise von Tod, Leiden und physischer Zerstörung der Infrastruktur beherrscht. Doch nicht nur Menschen spüren die Auswirkungen. Auch Ökosysteme und andere Spezies sind betroffen.

Gewiss haben Medien von Wellen weggefegte Bäume und überschwemmte Landstriche gezeigt. Und dennoch wurde über den vollständigen Umfang der Umweltauswirkungen des Tsunami viel zu wenig berichtet.

Erfahrungen von vorherigen Tsunamis deuten darauf hin, dass die dabei verursachten Umweltschäden mit dem Eindringen von Salzwasser in das Grundwasser und mit dem Verschwinden oder der Verlagerung von Stränden zusammenhängen. Tsunamis können kleine, flache Inseln unbewohnbar machen. Die Vegetation in weiten Teilen des Flachlands kann erheblich geschädigt werden, wenn salzwassertolerante Mangroven und Gräser andere Arten verdrängen. Für einige Tiere mit ganz bestimmten Fortpflanzungsstätten, beispielsweise Meeresschildkröten, könnten die Auswirkungen des Tsunamis das Aussterben bedeuten.

Doch während man die Umweltschäden an Land sehen kann, bleiben die Verwüstungen, die die Unterwasserwelt erleidet, verborgen. Prallt der Tsunami auf Korallenriffe, brechen einige Korallen ab. Doch ist dies ein verhältnismäßig kleines Problem. Die Oberfläche von Korallen ist hochsensibel und nun ungeschützt vor großen Schäden durch Schlick und Schutt, den das Wasser bei seinem Rückzug vom Land zurückträgt.

Natürliche Barrieren

In Küstennähe wirken viele natürliche Ökosysteme, besonders Korallenriffe und Mangroven, als natürliche Schock absorbierende und Wellen brechende Barrieren. In vergangenen Jahrzehnten wurden diese Ökosysteme in vielen Ländern entlang des Indischen Ozeans auch zugunsten des Tourismus beschädigt und zurückgedrängt. Tatsächlich war der Schaden durch die Flut viel verheerender, als dies bei intakten Ökosystemen der Fall gewesen wäre.

Der Tierwelt ergeht es dabei unter Umständen besser als der physischen Umwelt. Dies gilt infolge der umfangreichen Zerstörung von Fischereiflotten und -betrieben insbesondere für Fischbestände. Solche großen Kapazitätsverluste mit ihren weit reichenden sozioökonomischen Konsequenzen für die Bevölkerung von heute haben große, meist vorteilhafte Auswirkungen auf die Fischbestände und damit auf die Nahrungsgrundlage der Bevölkerung von morgen: Da die Fischpopulationen stark von der Überfischung betroffen waren, bedeuten weniger Fischer mehr Fische. Was den Fischbeständen weiters zugute kommt, ist das religiös motivierte Zögern der Bevölkerung in manchen Gebieten, Fische aus dem Meer zu essen, da angenommen wird, dass sie sich von ins Wasser gespülten Leichen ernährt haben.

Es mag grausam oder kaltherzig erscheinen, sich nach großen menschlichen Verlusten und Leiden auf derartige Umweltauswirkungen zu konzentrieren. Doch während die Welt versucht, eine zivilisierte Antwort auf die menschliche Tragödie in Südostasien zu finden, muss sie auch der demütigenden Amoralität der Natur begegnen und die Umweltauswirkungen verstehen, die das Schicksal der Überlebenden und ihrer Nachfahren nun bestimmen werden. (Arne Jernelöv/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 2. 2005)